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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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abgedroschenen Namen wie Spinnaker Court oder Mahagony Place anlegen und dicht mit pastellfarbenen Fertighäusern sprenkeln müssen. Aber er war immer noch da, genau wie früher und unberührt. Waren es vielleicht Staatsländereien, geschützt durch ein geschickt formuliertes Abkommen? Plante man einen Park? Oder warteten die Investoren einfach nur, bis die Häuserpreise noch weiter in die Höhe schossen?
    Nicholas’ Füße knirschten auf Kies, und er blieb stehen.
    Er stand genau auf dem Fußpfad, den er immer auf dem Heimweg von der Schule benutzt hatte. Einem Pfad, auf dem er einen kleinen und verstörenden Gegenstand gefunden hatte, etwas, das auf stumme Art schrecklich, fremd und verletzend gewesen war …
    Er blähte die Nasenlöcher, und sein Herz begann zu hämmern, als wäre eine Startpistole losgegangen. Die Erinnerung an einen heißen Novembertag vor einem Vierteljahrhundert schoss wie eine verdeckte Faust aus dem Wald, packte ihn und schnürte ihm den Magen zu. Er war zehn gewesen und mit seinem besten Freund zusammen. Tristram. Sie beide waren gerannt, in schrecklicher Angst. Sie waren verfolgt worden. Und kurz darauf war Tristram tot gewesen.
    Abgesehen vom silbrigen Flüstern der kühlen Luft in den Blättern war die Nacht ruhig.
    Nicholas bemerkte, dass er es vermied, zum Waldrand zu blicken. Er zwang seine Augen von den Kronen der Bäume hinunter zu ihren dunklen Stämmen. Sie standen da wie eine Reihe unendlich großer, schwarzer Zähne, die sich links und rechts in die Nacht erstreckte. Das Maul eines Meeresgeschöpfs, ein Ungetüm, wachsam und unruhig. Das erwachte, da es Beute witterte.
    Etwas kommt.
    Der Wald lebte. Nicholas’ Herz hämmerte hinter dem Brustbein. Etwas in den Bäumen hatte ihn gespürt, in der kalten Luft geschmeckt. Ihn wiedererkannt.
    Es kam.
    Lauf!, schrie es in seinem Kopf. Los!
    Aber sein Körper war wie erstarrt. Seine Füße wollten sich nicht bewegen. Seine Finger waren kalt und reglos wie Eiszapfen. Er hielt den Blick unverwandt auf die finster grinsenden Bäume gerichtet, wartete darauf, dass sie sich öffneten, und dass jenes Unbekannte aus ihren feuchten Innereien griff, ihn mitnahm und aufgeschlitzt und ausgeblutet zurückließ wie Tristrams kleinen Körper vor so vielen Jahren. Und ein Teil von ihm begrüßte dieses Schicksal.
    Nicholas zuckte zusammen. Ein Regentropfen war auf seinen Schädel gefallen. Noch einer, auf die Wange. Und noch einer. Wie von einem dunklen Zauber befreit, riss er den Kopf nach oben.
    Der Himmel, der am Flughafen noch klar und sternenübersät gewesen war, erschien nun als halb geschlossenes Augenlid. Wolken, so schwarz und unergründlich wie der Wald vor ihm, hatten ihn bis zum Zenit eingenommen, und während sie weiter vorrückten, schoss ihre Artillerie bereits schwere, kalte Tropfen ab.
    Aus dem Augenwinkel sah er etwas Weißes huschen. Er drehte den Kopf. Klein und bleich flackerte etwas zwischen den Stämmen von ihm fort, als würde es von den Bäumen verschlungen.
    Sein Herz raste so stark, dass er am ganzen Körper bebte. Wieder befahl er sich kehrtzumachen, und diesmal gehorchten seine Muskeln, er wandte dem lockenden Wald den Rücken zu und schritt durch das Streichholzgras zu seinem Wagen zurück.
    Es kostete ihn alle Willenskraft, nicht zu rennen.
    Regen lärmte auf das Blechdach.
    Wie hypnotisiert von den sich blähenden Dampfwolken beobachtete Nicholas, wie seine Mutter heißes Wasser in eine Teekanne goss. Das Bild seiner Tee zubereitenden Mutter war ihm so vertraut, es hätte ohne größere Veränderungen aus einer Zeit vor zwei Jahrzehnten herübertransportiert sein können. Die Küche war mit neuen Arbeitsflächen und einem Edelstahlkühlschrank aufgefrischt worden, und seine Mutter war ein wenig schwerer und eine Idee kleiner, aber nichts Wesentliches hatte sich verändert. Siebzehn Jahre, und alles war wie zuvor. Der Gedanke machte ihn müde.
    » Deine Schwester kommt morgen von Sydney herauf.«
    Die Stimme von Katharine Close war von einer eintönigen Nüchternheit, die an eine Lehrerin oder Eheberaterin denken ließ. Anfang der Siebzigerjahre hatte sie bei einem lokalen Fernsehsender den Wetterbericht präsentiert – ein wohlgeformter Magnet für Unterhaltungen über meteorologische Ereignisse in Raststätten und auf Fairways. Katharine war gerade der Aufstieg zur Sprecherin der Sechsuhrnachrichten angeboten worden, als sie mit Nicholas schwanger wurde. Mutterschaft, Trennung vom Ehemann und dann Witwenschaft
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