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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein
Autoren: Robert Silverberg
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Die Weiße Burg brauchte wieder den Schutz ihrer Geheimnisse, mehr noch als nach dem Untergang von Malkier, aber das konnte sie ihm nicht sagen. Noch nicht. »Ich kann nicht lügen darüber, was hier passiert ist, aber ich kann schweigen. Werdet Ihr schweigen oder das Werk der Schatten tun?«
    »Ihr seid eine sehr harte Frau«, sagte er schließlich. Das war seine einzige Antwort, aber sie genügte.
    »Ich bin so hart, wie ich sein muß«, sagte sie ihm. Diryks Schreie. Iselles Gesicht. Blieb Rynes Leichnam zu beseitigen. Und das Blut. So hart, wie sie sein mußte.
     
    Der nächste Tag war ein Tag der Trauer in Aesdaishar; weiße Flaggen flatterten von jeder Spitze, die Diener hatten lange weiße Bänder um die Oberarme gebunden. Gerüchte in der Stadt sprachen bereits von Omen, die den Todesfällen vorausgegangen waren, von Kometen in der Nacht, von Feuern am Himmel. Die Leute hatten eine Art, was sie sahen, zu etwas zurechtzubiegen, was sie kannten und was sie glauben wollten. Das Verschwinden eines einfachen Soldaten und selbst einer Aes Sedai blieb im Kummer unbemerkt.
    Als sie Mereans Habseligkeiten vernichtet hatte - ohne einen Hinweis auf andere Schwarzen Schwestern zu finden -, kehrte Moiraine zurück und machte Platz für Edeyn Arrel, die sich das Haar ungleichmäßig kurz geschnitten hatte und in einem weißen Kleid durch den Flur glitt. Man flüsterte, daß sie vorhabe, sich aus der Welt zurückzuziehen. Moiraine glaubte, daß sie das bereits getan hatte. Die großen Augen der Frau sahen abgehärmt und alt aus. In gewisser Weise sahen sie fast so aus wie die Augen ihrer Tochter, in Moiraines Erinnerung.
    Als Moiraine ihre Gemächer betrat, sprang Siuan von einem Sessel hoch. Es schien Wochen her zu sein, seit Moiraine sie zuletzt gesehen hatte. »Du siehst aus, als hättest du ins Köderbecken gegriffen und einen Säbelzahnfisch gefunden«, knurrte sie. »Was eigentlich nicht überraschend ist. Ich habe Trauer immer gehaßt, wenn sie Leuten galt, die ich kannte. Jedenfalls können wir aufbrechen, wann immer du bereit bist. Rahien wurde in einem Bauernhaus fast zwei Meilen vom Drachenberg entfernt geboren. Bis heute morgen ist Merean nicht in seiner Nähe gewesen. Ich glaube nicht, daß sie ihm auf Verdacht etwas antun wird, auch wenn sie eine Schwarze ist.«
    Nicht der Auserwählte. Irgendwie hatte Moiraine fast damit gerechnet. »Merean wird keinem mehr etwas antun, Siuan. Du kannst deinen Verstand gebrauchen, um ein Rätsel für mich zu lösen.« Sie ließ sich in einem Sessel nieder und fing mit dem Ende an, danach berichtete sie hastig, obwohl Siuan stöhnte und mehr Einzelheiten wissen wollte. Es war fast so, als erlebte sie es noch einmal. Als sie darauf zu sprechen kam, was zu dieser Konfrontation geführt hatte, war das fast eine Erleichterung. »Am allermeisten wollte sie Diryk tot wissen, Siuan; ihn hat sie als ersten getötet. Und sie hat versucht, Lan zu töten. Die beiden hatten nur eines gemeinsam, ihr Glück. Diryk hat einen Sturz überlebt, der sein Tod hätte sein müssen, und alle sagen, daß Lan der Mensch auf der Welt ist, der am meisten Glück hat, sonst hätte ihn die Große Fäule schon vor Jahren getötet. Das ergibt ein Muster, aber für mich sieht dieses Muster verrückt aus. Vielleicht hat sogar dein Schmied etwas damit zu tun. Und Josef Najima in Canluum, wer kann das schon sagen. Auch er war ein Glückskind. Finde du für mich die Lösung. Ich glaube, es ist wichtig, aber ich begreife nicht, wieso.«
    Siuan ging auf und ab durch das Zimmer, kickte ihren Rock hoch, rieb sich das Kinn, murmelte »Männer mit Glück« und »der Schmied stand plötzlich auf« und anderes, das Moiraine nicht verstehen konnte. Auf einmal blieb sie abrupt stehen und sagte: »Sie ist nicht einmal in die Nähe von Rahien gegangen, Moiraine. Die Schwarzen Ajah wissen, daß der Drache wiedergeboren wurde, aber sie wissen verdammt noch mal nicht, wann! Vielleicht ist es Tamra gelungen, das vor ihnen zu verheimlichen, oder vielleicht waren sie zu grob, und sie ist gestorben, bevor sie es aus ihr herausquetschen konnten. Das muß es sein!« Ihr Eifer verwandelte sich in Entsetzen. »Licht! Sie töten jeden Mann oder Knaben, der kanalisieren könnte! Oh, verbrenne mich, Tausende könnten sterben, Moiraine. Zehntausende!«
    Das ergab auf schreckliche Weise einen Sinn. Männer, die kanalisieren konnten, wußten selten, was sie taten, zumindest am Anfang. Anfangs schienen sie einfach nur Glück zu haben. Das
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