Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Titel: Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
Autoren: Maggie Furey
Vom Netzwerk:
Rotten, wo kein Haus den Blick zum Horizont behinderte, erschien die Welt so weit. In der Ferne konnte sie das Gebirge sehen, in dem sie ihr ganzes Leben verbracht hatte. Irgendwo dort oben lagen Tiarond und ihr wohlhabendes Haus: weit entfernt von diesem zugigen Turmzimmer, das aus nasskaltem Stein gemauert war und unglücklicherweise ihr Schlafquartier für die absehbare Zukunft sein würde. Nach einem Abendessen, das reichlich karg ausgefallen war, da Tormons Neuigkeiten den Sippenhäuptling davon überzeugt hatten, Vorräte zu sparen, hatte sie zusammen mit Rochalla bei vier unverheirateten Rottenmädchen im Zimmer geschlafen. Niemand war mit diesen Vorkehrungen glücklich, aber es gab keine andere Möglichkeit. Nun da Gefahr drohte, wurde die ganze Sippe in den Schutz der Festung gebracht, und der Platz war knapp bemessen. Die jungen Frauen hatten auf dem Boden geschlafen, auf einem dünnen Lager aus Farn, und sich glücklich geschätzt, dass sie nur zu sechst waren. In anderen Teilen der Festung schliefen die Leute mit zwölf oder vierzehn in einem Raum wie diesem.
    Nun, wenigstens hatte sie ein Bett. Sie sagte sich, dass sie dankbar sein sollte. Und Kleidung hatte sie auch. Als Ersatz für das zerrissene und schlammbespritzte Soldatenzeug aus dem Wachhaus von Tiarond hatten sie die Rottenfrauen mit einem Kleid aus dickem Wollstoff in Erikarot und Graublau versorgt. Die gedeckten Farben waren schön, aber wichtiger war ihr, dass das Kleid warm und robust war. Seriema nahm die Großzügigkeit ihrer Gastgeber dankbar an.
    Tormons kleine Schar hatte am Morgen mit dem Häuptling, seiner Frau und ihren Söhnen gefrühstückt. Das Mahl bestand aus Brühe, kaltem Hammel, Haferkuchen und einem weichen Schafskäse, den sie mit hellem Bier hinunterspülten – was für Seriema, gelinde ausgedrückt, eine Abwechslung zu ihrer üblichen Kost war. Allerdings nahm sie an, dass sie sich mit der Zeit daran gewöhnen würde. Vielleicht. In etwa hundert Jahren. Später hatte sich Arcan mit seinen Söhnen und Kriegern zurückgezogen, um erneut die drohende Gefahr zu erörtern, der sie sich zu stellen hätten, sollten sich die geflügelten Eindringlinge von Tiarond weiter hinauswagen.
    Nach dem Frühstück hatte Seriema nicht gewusst, was sie anfangen sollte. Presvel und Rochalla waren zusammen irgendwohin gegangen – aber nicht allein. Zum deutlichen Ärger ihres früheren Dieners hatte Rochalla angeboten, sich um die kleine Annas zu kümmern, solange Tormon zu arbeiten hatte. Der Händler selbst war, gefolgt von seinem Schatten Scall, ins Erdgeschoss zu den Ställen geeilt, um sich um seine kostbaren Pferde zu kümmern. Er hatte sie eingeladen, ihn zu begleiten, aber sie hatte vorgegeben, von dem langen Ritt noch müde zu sein. Abgesehen von Steifheit und Muskelschmerzen ging es ihr gut, aber darauf kam es nicht an. Da sie inzwischen Zeit gehabt hatte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, verstand sie, dass es sinnvoll war, sich unterwegs selbst um sein Pferd zu kümmern, aber sie wollte verdammt sein, wenn sie sich unter diesen Leuten in einen unbezahlten Pferdepfleger verwandelte, wo es so viele große starke Männer gab, die augenscheinlich nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen hatten, als zu prahlen, zu spielen und die Schwerter zu wetzen.
    Sie war eine Zeit lang in der Festung umhergewandert, hatte gelernt sich zurechtzufinden und Arcans Leuten bei ihren verschiedenen Aufgaben zugeschaut. Die harten Rotten schienen auf ihre Anwesenheit jedoch keinen Wert zu legen, denn man bereitete sich voller Unruhe auf eine Belagerung vor. Darum war sie schließlich hier heraufgekommen, um niemandem im Weg zu sein. Einsam und ein wenig unsicher, wie sie sich fühlte, hatte sie sich soeben eine ordentliche Standpauke gehalten. Die Stadt vermisste sie nicht – auf keinen Fall. Es würde ihr gut tun, einmal weitab von der Last der Verantwortung zu sein, von den endlosen Papieren auf ihrem Schreibtisch, dem Lärm der Straßen und dem täglichen öden Einerlei. Und von Hauptmann Blank. Bei der Erinnerung an den Hauptmann verkrampften sich ihre Finger um den Fenstersims. Je weiter sie von ihm weg war, desto besser.
    Das ist alles gut und schön, aber was habe ich hier? Wo ist mein Platz? Mir gehörte ein Reich, und nun ist es verloren … Ach, verdammt, ich lasse mich nicht unterkriegen. Mir wird schon etwas einfallen, womit ich neu beginnen kann.
    Plötzlich fühlte sie sich in dem kleinen Raum unerträglich eingeengt. Er war gut genug
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher