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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren
Autoren: Gunnar Kunz
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dachte er bei sich, und ein süßer Schmerz schnürte ihm die Brust zu. Die Svawenkönigin war die streitbarste Frau, die er je getroffen hatte, aber ihr nachtdunkles Haar war wie Seide, und in ihren Augen loderte ein Feuer, das jeden Winter fernhielt. Mit ihr zu streiten barg größere Leidenschaft als anderer Leute Liebesgeflüster. Sie war die eine, mit deren Seele er unauflöslich verbunden war.
    Über seine Gedanken waren ihm Gunters letzte Worte entgangen. »Was habt Ihr gesagt?«, erkundigte er sich.
    »Ich sagte: Warum erholt Ihr Euch nicht eine Weile, ehe Ihr Euch auf die weite Heimreise macht? Ihr seid herzlich eingeladen, Mittsommer mit uns zu feiern.«
    Sigfrid wollte Gunter nicht vor den Kopf stoßen, und ihre Pferde konnten Ruhe gebrauchen, deshalb sagte er: »Bis zum Fest können wir nicht bleiben, aber für ein paar Nächte nehmen wir Eure Gastfreundschaft gern an.«
    Er konnte nicht ahnen, wie folgenschwer diese Entscheidung sein sollte.
3
    Es war ein herrlicher Morgen. Die Sonne schien in die hintersten Ecken der Räume, als wollte sie alles, was atmete, ins Freie locken. Irmgard blickte sehnsüchtig aus dem Fenster, während sie die Haare ihrer Herrin in einer louga aus Ziegenfett und Buchenasche bleichte. Sie tat diese Arbeit gern, es machte ihr Freude, die Finger durch Grimhilds vollen Haarschopf laufen zu lassen. Ein Lied vor sich hinsummend seifte und spülte sie und massierte dabei die Kopfhaut der Niflunge.
    »Hör endlich mit dem Geplärre auf!«, fuhr Grimhild sie an.
    Erschrocken verstummte Irmgard. Sie kannte ihre Herrin; wenn sie sich in einer solchen Stimmung befand, benahm man sich tunlichst unauffällig, bis der Sturm vorüber war.
    Grimhilds Kopf ruckte hoch. »Lass mich allein! Ich kämme mich lieber selbst, ehe du mit deinen ungeschickten Händen noch alles durcheinanderbringst.« Kaum war die Dienerin fort, bereute Grimhild auch schon ihre Worte. Es war nicht recht, ihre schlechte Laune an Irmgard auszulassen. Das Schuldbewusstsein machte sie noch wütender, sie trat nach einer Truhe. Au! Alles hatte sich heute gegen sie verschworen! Ihr Zeh schmerzte, der Saum ihres Gewandes blieb ständig irgendwo hängen, und der Kamm war nirgends aufzutreiben. Grimhild stieß einen Schrei der Frustration aus. Der Anblick ihrer Mutter, die ungehört hereingekommen war und sie mit einem wissenden Lächeln bedachte, steigerte ihren Zorn ins Unermessliche. »Was willst du?«, fauchte sie.
    Oda nahm einen neutralen Gesichtsausdruck an und bemühte sich, nicht zu zeigen, wie sehr die leicht durchschaubaren Gefühle ihrer Tochter sie amüsierten. »Dir helfen, dich herzurichten«, erwiderte sie und ergriff den Kamm, der sich arglistig hinter einer Schale versteckt hatte.
    Grimhild biss sich auf die Lippen und schwieg, weil ihr kein Grund einfiel, sich zu widersetzen. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ sie zu, dass ihre Mutter sich hinter sie stellte und die nassen Haare entwirrte.
    »Ich sah Irmgard aus deinem Zimmer kommen«, sagte Oda. »Sie schien es eilig zu haben.«
    »Ich nehme an, sie hat zu arbeiten«, schnappte Grimhild. Die Vögel vor dem Fenster gingen ihr auf die Nerven. Sie sollten endlich still sein und ihre gute Laune für sich behalten!
    Oda kannte ihre Tochter gut genug, um zu wissen, dass eine direkte Frage nach der Ursache ihrer schlechten Laune der falsche Weg war, ihr zu helfen. Sie würde sich nur verschließen wie ein trotziges Kind. An der Art, wie Grimhild den Rücken gerade hielt, erkannte die Königin, dass ihre Tochter die Hände zu Fäusten ballte, doch sie hütete sich wohlweislich, das Mitleid, das sie empfand, zu zeigen. »Das war ein schönes Fest gestern, findest du nicht?«, fragte sie stattdessen.
    »Sie haben gesoffen wie die Schweine.«
    »Ich hatte meinen Spaß. Mir gefällt es, wenn so viele kühne Recken in unserer Halle sitzen.«
    »Er hat mich nicht einmal beachtet!«, platzte Grimhild heraus.
    »Wer?« Wenn ihre Tochter sich verstellen konnte   – Oda war Meisterin in diesem Spiel. Nicht umsonst hatte sie damals Aldrian, der eigentlich um ihre Schwester freien sollte, für sich gewonnen. Die Erinnerung daran schmerzte, aber es war ein süßer Schmerz, dem sie gern nachgab. Als er in jenem Jahr zur Burg ihres Vaters kam, besaß er noch keinen großen Namen, kein Skop sang Lieder von seinen Heldentaten. Doch sie hatte gewusst, was in ihm steckte. Sie wollte ihn. Und sie handelte, ehe er Gelegenheit bekam, die verhängnisvolle Werbung auszusprechen. Ein
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