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Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Autoren: Miles Cameron
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Crayford
    Der Meister der Kürschnergilde hatte ihn zum Abendessen eingeladen. Ser John lehnte sich zurück und beschloss, die Arbeit für diesen Tag zu beenden. Den Brief ließ er auf dem Schreibtisch liegen.
    Lissen Carak · Der Rote Ritter
    »Süßer Jesus«, rief Michael von der anderen Seite der Mauer. Sie war schulterhoch und von Generationen von Bauern mit Steinen errichtet worden, die sie in den Feldern aufgelesen und herbeigeschafft hatten. Gegen die Mauer lehnte ein zweistöckiges Steinhaus mit einigen Nebengebäuden – ein reiches Gehöft. »Süßer Jesus«, sagte der Knappe erneut. »Sie sind alle tot, Hauptmann.«
    Da er auf seinem Kriegspferd saß, konnte er über die Mauer bis zu der Stelle sehen, wo seine Männer die Leichen herumrollten und ihnen alle Wertgegenstände abnahmen, während sie nach Überlebenden suchten. Ihrer neuen Auftraggeberin würde das sicher nicht gefallen, aber der Hauptmann entschied, dass ihr diese Plünderung verdeutlichen möge, welcher Männer sie sich nun bediente. Seiner Erfahrung nach war es für gewöhnlich das Beste, wenn die Auftraggeber wussten, was sie für ihr Geld bekamen. Von Anfang an.
    Der Knappe des Hauptmanns sprang über die Steinmauer, die den Garten von der Straße trennte, und nahm Toby, dem Pagen des Hauptmanns, einen Stofffetzen ab. Klebriger Schlamm, Ergebnis des endlosen Frühlingsregens, bedeckte seine schenkelhohen Schnürstiefel. Michael zog einen Lumpen aus der Tasche, um seine Erregung zu überspielen, und machte sich daran, seine Stiefel zu säubern. Er war penibel und stets nach der neuesten Mode gekleidet. Sein scharlachroter Überwurf war mit Goldsternen bestickt, und die schwere Wolle musste mehr wert sein als die Rüstung eines Bogenschützen. Er war von hoher Geburt und konnte es sich leisten, also ging es nur ihn selbst etwas an.
    Was aber den Hauptmann etwas anging, war der Umstand, dass die Hand des Jungen zitterte.
    »Ich hoffe, du wirst bald so weit sein, dass du dich präsentieren kannst«, sagte der Hauptmann leichthin, doch Michael erstarrte bei seinen Worten. Dann beendete er die Säuberung seiner Stiefel und warf Toby den Lumpen zu.
    »Verzeihung, Mylord«, sagte er und sah sich dabei rasch über die Schulter. »Es war etwas aus der Wildnis, Mylord. Ich könnte meine Seele drauf verwetten.«
    »Kein hoher Einsatz«, sagte der Hauptmann und hielt Michaels Blick stand. Er zwinkerte, sowohl zur Belustigung der Zuschauer als auch zur Beruhigung seines Knappen, der jetzt so weiß im Gesicht war, dass man auf ihm hätte schreiben können. Dann sah er sich um.
    Es regnete nur leicht. Der scharlachrote Wollumhang des Hauptmanns wurde zwar immer schwerer, war aber noch nicht völlig durchnässt. Hinter dem ummauerten Gelände erstreckten sich Felder mit dunkler, frisch gepflügter und besäter Erde, die im Regen ebenso schwarz glänzten wie das Pferd des Hauptmanns. Die oberen, zu den Bergen hin gelegenen Felder waren von einem satten frischen Grün und mit Schafen gesprenkelt. Gute und fruchtbare Erde versprach eine reiche Ernte, so weit das Auge zu beiden Seiten des Flusses blicken konnte. Dieses Land war gezähmt; es war mit sauberen geometrischen Mustern aus Hecken und hohen Steinwällen bedeckt, die Ackerflächen und Weiden für Schafe und Kühe voneinander abtrennten. Und der Fluss brachte die Erzeugnisse dann in die Städte des Südens. Die Feldfrüchte und Tiere waren der Grund für den Reichtum des befestigten Nonnenklosters Lissen Carak, das auf einem hohen Felsvorsprung im Süden lag und von hier aus nur als eine gezackte Linie aus blassem Stein sichtbar war. Grau, grau, grau – vom Himmel bis zum Boden. Blassgrau, dunkelgrau, schwarz.
    Hinter den Schafen im Norden erhoben sich die Adnaklippen – ein Gebirge mit einer Ausdehnung von zweihundert Wegstunden, das sich über den Feldern erhob und dessen Gipfel sich in den Wolken verloren.
    Der Hauptmann lachte über seine eigenen Gedanken.
    Das Soldatendutzend, das sich ihm am nächsten befand, blickte auf. Jeder einzelne Kopf drehte sich, und alle Gesichter zeigten den gleichen Ausdruck von Angst.
    Der Hauptmann rieb sich den Spitzbart unter seinem Kinn und schüttelte das Regenwasser ab. »Jacques?«, fragte er seinen Diener.
    Der ältere Mann saß still auf einem Kriegspferd. Er war besser bewaffnet als die meisten anderen Diener und trug seinen scharlachfarbenen Mantel mit langen, weit herunterhängenden Ärmeln über einem Brustpanzer aus dem Osten. Sein Schwert maß vier
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