Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Autoren: Miles Cameron
Vom Netzwerk:
reihten sich über der Tür auf. Er öffnete sie erneut, erlaubte der grünen Brise, ihn mit Kraft aufzuladen, und schloss die Tür wieder.
    Er betrat das Dormitorium. Hier saßen ein Dutzend Nonnen, allesamt große, befähigte Frauen, im guten Licht der Fenster des Obergadens; die meisten waren mit Handarbeiten beschäftigt.
    Ohne das leiseste Rascheln seines scharlachroten Mantels ging er an ihnen vorbei; sein ganzer Wille war auf seinen Glauben konzentriert, dass seine Gegenwart hier überhaupt nicht ungewöhnlich war . Er stieg die Treppe hoch. Niemand drehte den Kopf, nur eine ältere Nonne starrte nicht mehr auf ihr Stickwerk, sondern sah zur Treppe, hob eine Braue, wandte sich dann aber wieder ihrer Arbeit zu. Hinter sich hörte er ein Murmeln.
    Ich habe sie nicht vollständig täuschen können, dachte er. Wer sind diese Frauen?
    Seine Eisenstiefel machten zu viel Lärm, und er musste vorsichtig gehen, denn die Macht – zumindest die Art von Macht, der er sich gern bediente – war nur von begrenztem Nutzen. Die Wendeltreppe schraubte sich mit einer Rechtsdrehung in die Höhe – wie in jeder anderen Festung auch – und hätte seinen Schwertarm behindert, wäre er ein Angreifer gewesen.
    Was ich in gewisser Weise ja auch bin, dachte er. Die Galerie befand sich unmittelbar oberhalb der Halle. Sogar an diesem grauen Tag war sie voller Licht. Drei grau gekleidete Novizinnen lehnten sich in die tiefen Fensteröffnungen und beobachteten die Männer im Hof. Sie kicherten.
    Er war überrascht, als er am Rande seiner eigenen Macht Spuren der ihren entdeckte.
    Dann betrat er die Galerie, und seine eisernen Absätze kratzten metallisch über den Holzboden – es war wie eine Fanfare in dieser Welt der barfüßigen Frauen. Er versuchte gar nicht erst, die Frauen durch seinen Willen glauben zu machen, er gehöre einfach zu diesem Ort.
    Ruckartig fuhren drei Köpfe herum. Zwei der Mädchen drehten sich sofort um und rannten davon. Die dritte Novizin zögerte einen verhängnisvollen Augenblick lang und sah ihn an. Wunderte sich.
    Er ergriff ihre Hand. »Amicia?«, fragte er und sah ihr dabei in die Augen, dann drückte er seinen Mund auf den ihren. Er stieß ihr das gepanzerte Bein zwischen die Schenkel, hielt sie fest, hob sie so mühelos an, als wäre sie ein Kind. Und nun lag sie in seinen Armen. Mit dem Rückenpanzer stützte er sich an der Brüstung ab und hielt sie in festem, gleichzeitig aber sanftem Griff.
    Sie wand sich, und ihr Ärmel rutschte gegen den Gurt, der seinen Ellbogen schützte. Doch ihr Blick hatte sich in ihn hineingebohrt, und ihre Augen waren riesig. Sie öffnete die Lippen. Es war mehr an ihr als nur einfache Angst oder Ablehnung. Mit der Zunge leckte er über ihre Zähne. Und fuhr mit dem Finger an ihrem Kinn entlang.
    Ihr Mund öffnete sich unter dem seinen – köstlich!
    Er küsste sie, oder vielleicht küsste auch sie ihn. Es ging nicht schnell vorüber. Sie entspannte sich in seinem Griff; er spürte ihre angenehme Wärme durch den gehärteten Stahl seiner Armpanzerung und Brustplatte.
    Doch jeder Kuss endet einmal.
    »Leg nur nicht das Gelübde ab«, sagte er. »Du gehörst nicht hierher.« Er wollte aufrichtig klingen, aber sogar in seinen eigenen Ohren klang seine Stimme unbeabsichtigt spöttisch.
    Er richtete sich auf und stellte sie auf den Boden, denn er wollte ihr beweisen, dass er kein Vergewaltiger war. Sie errötete wieder vom Kinn bis zur Stirn. Sogar ihre Handrücken waren rot. Sie senkte den Blick, verlagerte ihr Gewicht – er beobachtete sie ganz genau. Sie beugte sich vor …
    Und schlug ihm mit aller Kraft gegen das rechte Ohr. Das überraschte ihn vollkommen. Er geriet ins Taumeln; sein Rücken stieß mit einem metallischen Laut gegen die Wand, er fing sich wieder …
    … und drehte sich um, wollte sie sich schnappen.
    Sie rannte nicht einmal vor ihm weg. »Wie könnt Ihr es wagen, ein Urteil über mich abzugeben?«, meinte sie.
    Er rieb sich das Ohr. »Du missverstehst mich«, antwortete er. »Ich wollte nicht über dich richten. Du wolltest doch geküsst werden. Es war in deinen Augen zu sehen.«
    Früher hatten diese Worte stets gewirkt, auch wenn sie unaufrichtig gewesen waren. Doch in diesem Fall schienen sie der Wahrheit zu entsprechen, auch wenn er noch den scharfen Schmerz im Ohr spürte.
    Sie schürzte die Lippen – es waren volle, wunderschöne Lippen. »Wir alle sind Sünder, Messire. Ich kämpfe jeden Tag mit meinem Körper. Aber das gibt Euch nicht das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher