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Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon
Autoren: Charlotte MacLeod
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kleinen Handreichungen zu
verrichten, die Alexander sonst immer so perfekt und gerne erledigt hatte. Aber
Charles und Mariposa bemühten sich wirklich nach Kräften, und das mußte eben
jetzt genügen.
    Nach dem Abendessen, wenn Sarah zu
erschöpft war, um weiterzuarbeiten, zog sie sich ihre Pumps an, um ihre 160
Zentimeter etwas imposanter erscheinen zu lassen, und schlüpfte in ein
schwarzes Crepekleid ihrer Mutter, das so alt war, daß es bereits wieder modern
wäre, wenn sich die feinen Ladies in Boston überhaupt um die Launen der Mode
scherten, drehte ihr hellbraunes Haar zu einem Knoten, was sie ein paar Jahre
älter aussehen ließ und ihrem kleinen, blassen, etwas eckigen Gesicht eine
gewisse Würde verlieh, und gewährte prospektiven Mietern eine Audienz.
    Jeremy Kelling hatte mit seinen
Prophezeiungen völlig recht gehabt. Als die Nachricht sich erst einmal
verbreitet hatte, daß eben die Sarah Kelling, die erst vor einem Monat
Schlagzeilen gemacht hatte, jetzt ihr Heim zahlenden Gästen öffnen wollte,
standen sich die Menschen vor ihrer Tür die Füße in den Bauch. Ihr Hauptproblem
bestand darin, die Insolventen, die Unmöglichen und die Sensationslüsternen
auszusortieren, die nicht die leiseste Absicht hegten, bei ihr einzuziehen,
sondern sich lediglich auf keinen Fall die Gelegenheit entgehen lassen wollten,
ihre Neugier zu befriedigen. Dabei verließ sie sich gänzlich auf die
weltmännische Erfahrenheit ihrer Hausangestellten. Gut 80 Prozent der
hoffnungsvollen Zimmeranwärter schafften es dann auch nur bis zur Vorhalle.
Diejenigen, die sich weiter Vorarbeiten konnten, wurden eingehend mit kühlen
Blicken von einem Butler und einem Zimmermädchen gemustert. Ein gemurmeltes
»Die kannst du vergessen, Schätzchen« von Mariposa vernichtete mit einem Schlag
eine elegant gekleidete Dame, die eine aussichtsreiche Anwärterin auf Dolphs
ererbte Gelder für wohltätige Zwecke war. Das geringste Wimpernzucken von
Charles ließ verschiedene andere Bewerber ausscheiden, an deren Referenzen und
Manieren es scheinbar nichts auszusetzen gab.
    Sarahs Assistenten selbst traten
tadellos und äußerst eindrucksvoll auf. Die beiden hatten darauf bestanden,
sich selbst einzukleiden, und den Lohnscheck von Charles aus der Plastikfabrik
in Kleidungsstücke umgesetzt, die ihrer Meinung nach ihrer jetzigen Stellung
entsprachen. Mariposa hatte sich für ein leuchtendes Orange entschieden, um
ihre hübsche Figur und lebhafte Gesichtsfarbe zu betonen, und trug dazu ein weißes
Rüschenhäubchen mit langen orangefarbenen Samtbändern. Charles war das Ebenbild
eines gepflegten Butlers im Haus am Eaton Place, bis hin zu seinen weißen
Baumwollhandschuhen, auch wenn seine in Wirklichkeit aus pflegeleichtem Nylon
waren, die ihm seiner Ansicht nach auch Mr. Hudson verziehen hätte, da Mariposa
sich weigerte, sie für ihn zu waschen, und er dies selbst zu erledigen hatte.
Seine Aufmachung stammte von einem Kostüm Verleiher und war ursprünglich mit
gewissen Verzierungen versehen gewesen, doch Sarah hatte ihn überredet, das
rote Band und die Orden zu entfernen und aufzuheben, bis er entweder zum
Botschafter ernannt würde oder eine Nebenrolle in Die lustige Witwe erhielte.
    Zweifellos trug die Dienstkleidung der
beiden dazu bei, daß ihr Haushalt an Ansehen gewann. Der bloße Anblick von
Charles in seiner prächtigen Livree genügte, um die meisten nicht in Frage
kommenden Personen zu entmutigen. Diejenigen, die schließlich doch die
Barrikaden erstürmten, von Charles mit allen Formalitäten angekündigt wurden
und dann ein winziges Gläschen Sherry angeboten bekamen, das Mariposa mit
wehenden Häubchenbändern auf einem Silbertablett servierte, waren weitaus
weniger in Gefahr, bei den von Sarah genannten Preisen auch nur mit der Wimper
zu zucken.
    Die drei hatten gemeinsam beschlossen,
daß es leichter und noch dazu, wie Charles sich ausdrückte, eine niveauvollere
Vorstellung sein würde, wenn die Darsteller der zukünftigen Mieter alle an ein
und demselben Tag vorsprachen, statt sie alle nacheinander einzeln antrudeln zu
lassen. Da es aus finanziellen Gründen lebenswichtig war, diesen Zeitpunkt so
früh wie möglich festzulegen, begann das Haus in der Tulip Street auszusehen
wie der Schauplatz in einem Keystone-Cops-Film, in dem Menschen mit
unglaublicher Geschwindigkeit überall herumschwirren.
    Sarah entwickelte ungeahnte
Fähigkeiten, Leute zur Arbeit anzutreiben. Sobald sie erschöpft war, wurde sie
bereitwillig von
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