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Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Titel: Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Poore
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dann noch einen Gott?
    Der Teufel stand mitten im Magischen Königreich, in Disneyland, gekleidet in Bermudas und Pepitahemd, einen Strohhut auf dem Kopf, und sah aus wie ein Versicherungsvertreter. Alle amerikanischen Männer sahen im Urlaub so aus.
    Wenn Amerikaner arbeiten , dachte der Teufel und rückte seine Sonnenbrille zurecht, bauen sie Straßen und Autos. Im Urlaub hingegen besuchen sie alberne Parks wie den hier, wo sie für alles und jedes zu viel bezahlen und in langen Schlangen anstehen müssen.
    Vierhundert Jahre, und er hatte die Amerikaner immer noch nicht durchschaut.
    Minnie Mouse und Goofy kamen aus entgegengesetzten Richtungen heran. Der Teufel ließ einen Fünfzig-Dollar-Schein fallen und setzte sich auf eine Bank in der Nähe, in der Hoffnung, dass sie sich um den Geldschein stritten.
    Aber den Gefallen taten sie ihm nicht. Goofy hob den Schein auf und gab ihn beim Fundbüro ab.
    Der Teufel holte sich ein Sirup-Eis, machte sich auf den Weg zum Parkplatz und suchte seinen Wagen, eine mitternachtsblaue Lincoln-Limousine mit offenem Verdeck, die an einem schicksalhaften Novembertag 1963 durch Dallas, Texas, gerollt war.
    Manchmal starrten die Leute den Wagen an und fragten sich, warum zum Teufel er ihnen so vertraut erschien. Diejenigen, die lange genug darüber nachdachten oder sich angestrengt genug den Kopf zermarterten und in ihren Erinnerungen kramten, waren meist entsetzt. Manchmal schossen sie Fotos.
    Auf allen diesen Bildern lächelte der Teufel. Er war stolz auf sein Auto.
    ***
    Es kostete ihn zwei Stunden, bis er den Verkehr von L. A. hinter sich gelassen hatte. Er wandte sich nach Osten, in Richtung Mojave und Death Valley, und schaltete das Radio ein. Sein Strohhut segelte beinahe davon, als er jenseits der Ausfahrt von Barstow Gas gab. Mit langer, geschickter Klaue fing er den Hut wieder ein, legte ihn auf den Beifahrersitz und machte es sich für eine lange Fahrt bequem. Vielleicht die ganze Nacht hindurch.
    Die Straßen, über die der Teufel fuhr, waren nicht immer auf den Karten zu finden. Fremdartige Kräfte und Realitäten umgaben ihn. Manchmal war es auf der Straße des Teufels Tag, wenn Nacht hätte sein müssen. Ziemlich oft teilten sich Sonne und Mond den Himmel oder verdeckten einander.
    Im Radio lief ein Song, der sich wie ein Lied am Lagerfeuer anhörte. Ein Ohrwurm! Der Teufel drehte das Radio lauter. Es war eine fröhliche Nummer mit dem Titel Cruel April – grausamer April – und handelte von Leuten, die im Frühling exekutiert worden waren.
    Der Gitarrist beherrschte sein Instrument wie im Traum. Es klang wie mindestens drei Gitarren, die sich miteinander unterhielten. Die Stimme der Sängerin hatte ein schwaches Echo, als würde sie von ihrem eigenen Geist begleitet.
    Clark Freeman, gas chamber! Such a pretty day!
    Winter’s dying! Dandelion! Cyanide spray!
    Es war ein Song ganz nach dem Geschmack des Teufels. Er trommelte mit den langen Fingernägeln auf dem Lenkrad und bog vom Highway ab. Ein Stück voraus war eine Kreuzung inmitten von Maisfeldern. Langsam drifteten Nebelschwaden durch den Mais und waberten über die Straßen. Auf der Bankette zur Rechten parkte ein bunter VW -Bus. Vor dem Bus saßen drei junge Hippies im Kreis und hielten sich an den Händen. Zwei Jungen und ein Mädchen.
    Der Teufel parkte seinen Wagen auf der anderen Straßenseite und stieg aus. Jetzt sah er nicht mehr aus wie ein Tourist, sondern wie ein alter Hippie. Langhaarig und gebräunt mit einem Fu-Man-Chu-Bart, John-Lennon-Brille, offenem Hemd, Jeans und Stiefeln.
    Die Kids erwarteten bestimmt, dass er Hörner hatte, also trug er welche.
    »Ich mag diesen Gaskammer-Song«, sagte er, während er die Straße überquerte und die Wagenschlüssel einsteckte.
    Drei Augenpaare starrten ihn an.
    Die Kids waren wie versteinert. Genau wie er es sich gedacht hatte.
    »Gebt mir Bescheid, wenn ihr so weit seid und reden wollt«, sagte er. Dann trat er mitten auf die Kreuzung, errichtete aus dem Nichts ein Lagerfeuer und röstete einen Marshmallow über den Flammen.
    Verdammt. Diese Dinger fingen immer wieder Feuer, egal wie vorsichtig er war.
    Er schälte die geschwärzte Schicht herunter und schnappte den Marshmallow mit langer Greifzunge, vorsichtig, damit nichts in seinem Bart kleben blieb.
    »Hey«, sagte das Mädchen, das neben ihm erschienen war.
    »Selber hey«, sagte er.
    »Ist das echt?«, fragte sie.
    »Ihr seid um Mitternacht zur Kreuzung gekommen. Was habt ihr denn gedacht, was
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