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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition)
Autoren: Susanne Gerdom
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Göttern der KÜCHE dienen dürfen. Darf ich deine
Hand küssen?«
    Sie schnaufte und nahm
vorsichtshalber ein wenig Abstand. »Was redest du für dummes Zeug? Die Küche
ist gar kein besonderer Ort. Wirklich nicht.«
    Er blinzelte ihr zu. Seine
schwarzen Augen blitzten verschmitzt. Sallie begriff und begann zu lachen, und
er lachte mit seiner heiseren, etwas atemlosen Stimme mit. Dann sprang er auf
die Füße. »Komm«, sagte er, »ich zeige dir mein Reich. Es ist nicht so großartig
wie die KÜCHE – und es mangelt hier für meinen Geschmack ganz entschieden an
Käse«, seine Stimme klang wehmütig und gleichzeitig stolz, »aber hier bin ich
der Herr.«
    Sallie ließ sich von ihm ein
paar Kreuzungen tief in das Gängegewirr ziehen, dann hielt sie plötzlich an und
blickte erschreckt auf ihre Lampe, deren Schein deutlich schwächer geworden
war. »Redzep«, rief sie, denn die dürre Gestalt war vor ihr im Dunkel verschwunden.
»Redzep, wo bist du?«
    Schweigen antwortete ihr. Sie
wartete unschlüssig einen Moment lang, aber das schwache Flackern ihrer Lampe gemahnte
sie an den langen Rückweg, und sie fürchtete sich davor, den letzten Teil vielleicht
im Dunkeln hinter sich bringen zu müssen.
    »Redzep«, rief sie noch mal,
sich umdrehend, »ich komme wieder!«, und lief los.
    Ihre Lampe erlosch, als sie
die letzte Kreuzung vor der Treppe passierte, aber das Licht war schon vorher
so schwach gewesen, dass sie sich ohnehin nur noch hatte langsam vortasten
können, um auf dem unebenen Boden nicht zu stürzen. Sallie schauderte. In dem
lichtlosen Dunkel klangen alle Geräusche plötzlich viel lauter. Hinter ihr
schien eine Armee trappelnder Füße ihr auf den Fersen zu sein, an den Seiten
tropfte und raschelte es wie Wasserfluten und Sturmwind und vorne schien gerade
ein Erdrutsch zu passieren, so laut polterten Steine und Erde von den Wänden.
    Sie schob sich Stück für Stück
voran, eine Hand weit vorgestreckt, die andere an der Wand entlanggleitend,
wobei sie immer wieder in eklige nassglatte, borstige oder schmierige Dinge
fasste. Sie musste sich zwingen, die Hand dortzulassen und dem Impuls zu
widerstehen, die Arme eng um sich zu schlingen.
    Nach einer unmessbar langen Zeit im Finsteren, in
der neben all den Geräuschen auch kleine farbige Funken und Lichtblitze in den
Augenwinkeln sie zum Erschrecken und Herumfahren gebracht hatten, stieß sie
sich heftig die Zehen an der untersten Treppenstufe. »Danke«, sagte sie
inbrünstig zu niemand Bestimmtem und machte sich an den Aufstieg.
     
     
     
     
     
    4
     
     
    Wenn einer der Bewohner des
Hauses Sallie gefragt hätte, ob sie zufrieden sei und ob es ihr denn wirklich
genüge, ein Küchenmädchen zu sein, hätte sie wahrscheinlich sehr erstaunt auf
diese Frage reagiert.
    Jeder im Haus war, was er war.
Die Köche waren Köche, die Zimmermädchen Zimmermädchen und die Scheuerjungen
waren Scheuerjungen. Jeder tat das, wozu er bestimmt war, ohne neidisch auf den
anderen zu schauen.
    Natürlich war es schön,
gelegentlich der monotonen Küchenarbeit entfliehen zu können, dem ewig gleichen
Gemüseputzen, Spülen, Wasserholen, dem Geschrei und Geschimpfe der Köche, dem
Klappern und Scheppern, der Hitze und dem Lärm. Es war eine schöne Abwechslung,
wenn einer der Beiköche sie in den Keller schickte, um etwas zu holen –
Kartoffeln oder Mehl oder eine Flasche Kochwein –, und noch schöner war es,
wenn man ihr auftrug, dem Gärtner zur Hand zu gehen.
    Sallie fand es verwunderlich,
dass die anderen Küchenhilfen sich vor dieser Aufgabe drückten, wo es nur ging,
und froh waren, wenn Sallie sich freiwillig dazu bereit erklärte.
    Sie selbst liebte die Arbeit
im Garten. Sicher, auch ihr taten hinterher die Knie weh, wenn sie den ganzen
Nach mittag Unkraut aus den Beeten gezupft hatte. Sicher, man riss sich die
Nägel ein und bei mancher Arbeit auch die Haut von den Händen, man hatte sich
Dornen und spitze Ästchen in empfindliche Stellen des Körpers gejagt und obendrein
noch Schwielen an den vom Spülen rauen Händen bekommen. Aber das waren kleine
Unannehmlichkeiten, die hinter dem großen Glück zurücktraten, die Finger in
weiche, krümelige, duftende Erde zu graben, den Wohlgeruch von frischem Grün
und reifem Obst tief in die Lungen zu saugen und seine küchenmüden Augen auf
all dem Blühenden und Grünenden ausruhen zu dürfen.
    So hockte Sallie also am
Nachmittag mit hochgeschürztem Rock und aufgekrempelten Ärmeln in einem Beet
mit jungen
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