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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr
Autoren: Stefan Papp
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war Zeit für die Fragen, wie er sie von seinem Freund Horst kannte: »War gestern irgendetwas? Irgendetwas, was mir heute peinlich sein könnte? Irgendwelche Schlägereien, unnötige Flirts oder sonstige Peinlichkeiten?«
    »Peinlich ist kein Ausdruck für dein gestriges Benehmen. Wie ein Neandertaler! Glück für dich, dass du ohne blaues Auge davon gekommen bist! Ich weiß nicht, was nach ein oder zwei Uhr passiert ist. Ich bin früh weg. Manche Menschen müssen ja auch arbeiten. Ich war nicht unglücklich darüber. Das Fest war irgendwie nichts Besonderes. Eigentlich war ich wegen der energetischen Schwingungen oben.«
    Eines war so sicher wie das Amen im Gebet: Würde er die fraglichen Schwingungen auch nur einen Moment lang in Frage stellen, gäbe es Zoff. Er wusste es. Aber auf ›offensichtlichen Blödsinn‹ mussten einfach blöde Bemerkungen fallen. Das war seine Natur.
    »Was genau meinst du mit Schwingungen?«
    »Naturgeister lieben doch alte Gemäuer«, seufzte Nimue. »Muss ich dir wirklich alles erklären?«
    »So manche gequälte Seele aus dem Verlies wird sicher einen lustigen Witz auf Lager haben.«
    Nimue seufzte hörbar genervt und schüttelte den Kopf, als wollte sie sagen: »Dem kann man nicht helfen!«
    »Soll ich dir jetzt die Karten legen oder nicht? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Sam nickte, er hatte nichts mehr zu verlieren.

    *

    Andernorts starrte Dr. Heisenstein aus dem Fenster. Mit seinen Gedanken folgte er der Musik von ›Spiel mir das Lied vom Tod‹, die durch seine Stereoanlage in sein Büro getragen wurde.
    Vom Tower der Bank aus gesehen waren die Menschen auf der Straße kleine Figuren; Bauern, die chaotisch auf einem Schachbrett zwischen schwarz und weiß herumirrten. Ohne König kamen sie nicht weit.
    Als Bankmanager, der mehr Geld in Zusatzausbildungen investiert hatte, als andere jemals in ihre Grundschulausbildung stecken würden, konnte er sich keine Gefühle leisten. Die Wut über seine Ahnen zu unterdrücken, fiel ihm jedoch schwer. Rupert Johann Nepumuk von Heisenstein, wieso hast du alles verprasst? Zahlreiche adelige Familien hatten ihren Einfluss erfolgreich in die Republik gerettet. Was wäre mit dem ihm gebührenden Erbe erst alles möglich gewesen? Ein Mann wie er hätte auf dem internationalen Parkett tanzen können.
    Wie der sprichwörtliche Phönix war mit ihm der Name Heisenstein wieder aus der Asche auferstanden. Mit dem Doktor summa cum laude in der Tasche, hatte er in seinen beruflichen Anfangsjahren neue Maßstäbe für Mitarbeiterperformance gesetzt. Noch war er nur einer der hungrigen Kronprinzen, die ihre Hand nach der Krone ausstreckten. Bald würde aber er entscheiden können, wer zu welchen Konditionen wie viel Geld bekam.
    Seine Launen waren nur gefürchtet, aber vor den Stimmungsschwankungen seiner Erbin hätten auch die Einflussreichen gezittert. Die Fußstapfen, in die sie getreten wäre, waren breit genug, um auch international den C-Level zu erklimmen. Im Herbst wäre sie 20 geworden, am Anfang eines perfekten Lebens.
    Er richtete seine Augen auf das gerahmte Foto am Tisch. Der berühmte Heisenstein-Blick: Immer aufs Ziel fixiert. Mit ihren durchdringenden blauen Augen konnte sie jeden Widerstand brechen. So mancher Senior Manager wäre an ihr verzweifelt.
    Hatte er sie geliebt? Mehr als er ihr je gezeigt hatte. Hatte sie ihn geliebt? Sie hätte . Ein paar Jahre in der Oberliga und auch sie hätte Blut geleckt. Sie war von seiner Art. Sie hätte irgendwann verstanden, was er alles für sie getan und wovor er sie bewahrt hatte.
    Blaues Blut auf kaltem Stein! Wer auch immer dafür verantwortlich war, dieses Ungeziefer musste am Boden zertreten werden.
    »Herr Kratochvil, Ihr Fahrer, ist da!«, meldete die kühle Stimme seiner Assistentin.
    Frau Sybille Mansdorf trat mit bedächtigen Schritten in sein Büro. Eins-achtzig groß, feuerrotes Haar und eine Figur, mit der sie jeder Starfotograf hätte nackt ablichten wollen. Die perfekte Juristin; eine Flamme aus Eis. Ein wenig kühl und dennoch würde man sich bei ihr schnell die Finger verbrennen. Sie wollte ganz nach oben, er bot ihr den Windschatten dafür. Ein Alpha-Tier brauchte ein Alpha-Weibchen. Auf ihrem Tisch wurde bereits mehr in seinem Sinne entschieden, als seinen Konkurrenten lieb war.
    Heisenstein richtete seine Aufmerksamkeit auf Kratochvil, der am Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. Das Haar sorgsam gekämmt, die Wangen und das Kinn waren frisch rasiert und auch
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