Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit
Autoren: Charles L Harness
Vom Netzwerk:
denn die weibliche Intuition. Aber Haze-Gaunt mußte sich irren. Offensichtlich konnte das Gehirn nicht ihr Mann sein. Sie hatten ungefähr den gleichen Körperbau, aber damit hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Wahrlich, das Gehirn war – häßlich. Dann warf sie Haze-Gaunt einen verstohlenen Blick zu und büßte etwas von ihrer Gewißheit ein.
    Von den Versammelten schien nur der Kanzler nicht aufgeregt zu sein. Er lag noch immer ruhig im Plüschsessel, die langen Beine lässig gekreuzt. Seine absolute Zuversicht verkündete deutlich: „Ich bin mir der Antwort gewiß und habe außerordentliche Vorkehrungen getroffen.“
    Für Eldridge wurde die Situation unerträglich. „Antworten Sie, verdammt noch mal!“ rief er und zog die Pistole.
    Haze-Gaunt winkte ihn verärgert zurück. „Wenn es Muir ist, dann ist er auch ein gepanzerter Dieb. Stecken Sie das Spielzeug weg und setzen Sie sich.“ Er wandte sich wieder dem Gehirn zu. „Allein die Tatsache Ihrer Hinhaltetaktik verrät eine ganze Menge, aber was erhoffen Sie sich davon? Die Verlängerung Ihres Lebens um ein paar Augenblicke?“ Sein Mund verzog sich in der Andeutung eines höhnischen Lächelns. „Oder weiß der bestinformierte Mensch im Sonnensystem nicht, wer er ist?“
    Haze-Gaunts Tarsioid spähte zitternd über die Epauletten seines Herrn auf das Gehirn, das die ganze Zeit über nicht die Stellung geändert hatte. Seine Arme lagen auf den Sessellehnen, wie sie immer dort gelegen hatten. Keiris kam er beinahe so gelassen wie immer vor. Aber Haze-Gaunt, der seinen Sieg in der lebenslangen Auseinandersetzung mit dem Mann, den er am meisten haßte, beinahe sinnlich genoß, bemerkte anscheinend mehr.
    „Vor uns, meine Herren“, bemerkte er grimmig, „befindet sich, ungeachtet seiner Aura der Weisheit, ein verschrecktes Tier.“
    „Ja, ich fürchte mich“, sagte das Gehirn mit fester klarer Stimme. „Während wir hier abgedroschene Redensarten über Identitäten wechseln, taumelt Toynbee einundzwanzig unter dem Todesstoß. Wenn Sie nicht alle Unterbrechungen dieser Konferenz verboten hätten, würden Sie wissen, daß der Ostbund vor achtzig Sekunden dem Kaiserreich Amerika den Krieg erklärt hat!“
    Welch großartiger Bluff, dachte Keiris in verzweifelter Bewunderung.
    „Meine Herren“, sagte Haze-Gaunt und blickte sich um. „Ich bin mir sicher, daß Sie alle die Feinheiten der neuesten Raffinesse des Gehirns zu würdigen wissen. Das Rätsel seiner Identität verliert sich plötzlich in der Aufregung um gigantische, aber fiktive Vermutungen. Ich glaube, wir können jetzt auf meine Frage zurückkommen.“
    „Fragen Sie Phelps, was mit seinem geheimen Ohrhörer los ist“, sagte das Gehirn kalt.
    Phelps blickte sich betreten um. Dann murmelte er: „Das Gehirn hat recht – wer auch immer er ist. Ich habe einen Hörapparat, der zugleich Radioempfänger ist. Der Ostbund hat uns wirklich den Krieg erklärt, wie er behauptet.“
    Das Schweigen wurde schließlich von Haze-Gaunt gebrochen.
    „Das ändert die Lage ganz offensichtlich. Das Gehirn wird streng bewacht, bis wir Gelegenheit haben, uns weiter mit ihm zu befassen. Inzwischen verschwendet der Rat hier seine Zeit. Sie alle habe für den Notfall Ihre Befehle. Führen Sie sie bis zum letzten Buchstaben aus. Die Sitzung ist geschlossen.“
    Er erhob sich. Keiris zwang sich, beim Entspannen nicht zusammenzubrechen.
    Die Minister eilten einer nach dem anderen hinaus, und ihre Schritte und ihr nervöses Rüstern erstarben im Säulengang.
    Haze-Gaunt wandte sich plötzlich um und setzte sich anders hin. Sein harter Blick richtete sich neuerlich auf das entstellte, aber gelassene Gesicht des Mannes in der überkuppelten Grube.
    Keiris’ Atem beschleunigte sich. Es war noch nicht vorbei – es begann erst.
    Das Gehirn schien in stiller Andacht versunken, völlig unberührt von der Wahrscheinlichkeit seines bevorstehenden Todes.
    Haze-Gaunt zog einen nach einer Pistole aussehenden Gegenstand aus der Jackentasche. „Das ist ein Giftpfeilwerfer“, erklärte er leise. „Die Nadel durchdringt Ihre Plastikeinhüllung mit Leichtigkeit. Ein Kratzer genügt. Ich möchte, daß Sie über sich selbst reden und mir eine ganze Menge erzählen. Sie können jetzt anfangen.“
    Die Finger des Gehirns trommelten unschlüssig auf die Sessellehne. Als er schließlich aufblickte, tat er dies nicht zu seinem Scharfrichter, sondern zu Keiris. Sie war es, die er ansprach.
    „Als Ihr Mann vor zehn Jahren verschwand,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher