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Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition)
Autoren: Pontus Ljunghill
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dir ganz sicher?«
    »Ja, das bin ich. Es ist an der Zeit. Eigentlich bin ich schon viel zu lange hier.«
    »Ich muss sagen, ich bewundere dich. Dass du es wagst, das alles hinter dir zu lassen und noch einmal neu anzufangen. In gewisser Weise beneide ich dich sogar.«
    »Warum?«, wollte Stierna schon fragen, doch dann schluckte er die Frage hinunter und schwieg. Das war eine Taktik, die er im Lauf der Jahre bei vielen Verhören angewandt hatte, eine Methode, um den Befragten dazu zu bringen, genauer zu werden. Schweigen konnte äußerst effektiv sein, es konnte auch den verstocktesten Verbrecher dazu bringen, etwas Unbedachtes zu sagen. Aber Lindberg war kein Verbrecher, und er dachte gar nicht daran zu erklären, was er dachte.
    »Was wirst du tun?«, fragte er stattdessen.
    »Mal sehen«, antwortete Stierna. »Noch ein Jahr, dann bekomme ich meine Pension, und bis dahin brauche ich nichts zu verdienen, ich hab genug auf die Seite gelegt. Außerdem habe ich für eine alte, mottenzerfressene Uniform, die seit Jahren bei mir auf dem Dachboden gehangen hat, noch ein hübsches Sümmchen bekommen. Die hab ich zu der Zeit getragen, als wir auf Södermalm Streife gegangen sind. Und schließlich haben mir meine Eltern was hinterlassen. Das hab ich noch nicht angerührt.«
    Lindberg stand auf und lief in dem großen Raum hin und her.
    »Waren viele hier, um sich von dir zu verabschieden?«
    »Nein.«
    »Keiner von der alten Truppe?«
    »Niemand außer dir.«
    »Bestimmt kommen noch ein paar. Es ist ja erst halb drei. Wann fährst du?«
    »In anderthalb Stunden«, antwortete Stierna.
    Lindberg blieb stehen, schaute zu Boden.
    »Triffst du noch jemanden aus der Zeit damals?«, fragte er.
    »Aus welcher Zeit?«
    »Na, aus der Zeit bei der alten Kriminalabteilung.«
    »Es kommt schon vor, dass mir mal einer über den Weg läuft«, erwiderte Stierna. »Aber meistens bleibt’s bei Guten Tag und Auf Wiedersehen. Vor ein paar Wochen habe ich Strand getroffen.«
    »Kommissar Strand.«
    »Ja, ich hab gehört, dass er den Kommissarslehrgang abgeschlossen hat. Ich erinnere mich noch, als er Karl Högstedts Gehilfe war.«
    Lindberg setzte sich wieder auf den Besucherstuhl. Es schien, als dächte er die ganze Zeit über etwas nach, vielleicht suchte er nur nach den richtigen Worten.
    »Irgendwie vermisse ich diese Zeit. Als wir noch nicht so uralt waren.«
    »Uralt? Sind wir das? Du und ich?«
    »Du weißt, was ich meine. Ich vermisse diese Zeit. Ich vermisse die alte Truppe. Die jungen Polizisten von heute, die sind nicht mehr vom gleichen Schrot und Korn wie wir damals.«
    Die alte Truppe, dachte Stierna. Männer, für die er früher einmal ganz selbstverständlich der Leiter gewesen war. Was nicht an seinem Alter lag, denn er war der jüngste Kommissar in der ganzen Abteilung für Kriminalfälle gewesen. Ein Teil von ihnen war bereits in Pension, aber viele gab es noch, hoch oben in der Polizeihierarchie.
    Stierna selbst war den umgekehrten Weg gegangen. Er hatte es nicht zum Kriminaldirektor gebracht, wie viele geglaubt hatten. Mit vierunddreißig hatte er an der Spitze gestanden. Jetzt, fünfundzwanzig Jahre später, war er auf dem Altenteil, in einem Museum. Hierher war er vor neun Jahren versetzt worden, auf eigenen Wunsch.
    Gösta Berg kam ins Zimmer. Lindberg begrüßte ihn höflich.
    »Guten Tag, Berg. Na, wie geht’s?«
    »Guten Tag, Herr Direktor. Gut, danke. Bis auf die Tatsache, dass John aufhört.«
    »Ich verstehe. Und wer wird sein Nachfolger?«
    »Ljungman.«
    »Ach so, ich verstehe.«
    Berg wandte sich Stierna zu.
    »Es gibt etwas zu essen«, sagte er. »Hackbraten von gestern und Brot. Hast du Hunger?«
    Stierna überlegte. Sein Appetit war im Lauf der Jahre immer geringer geworden, aber er hatte seit dem Frühstück nichts gegessen.
    »Ja, danke, Gösta«, sagte er. »Ich glaube, ich brauche etwas im Bauch, bevor ich losfahre.«
    Berg ging in die kleine Küche, die an das Büro angrenzte. Auf halbem Weg blieb er stehen.
    »Ist der Herr Direktor auch hungrig?«, fragte er. »Es reicht für drei.«
    Lindberg stand auf und nahm seine Aktentasche.
    »Nein, vielen Dank, Berg. Ein andermal. Ich muss los, zu einer Konferenz.«
    Er wandte sich Stierna zu.
    »Wir hören voneinander.«
    »Sicher«, nickte Stierna.
    Lindberg streckte ihm die rechte Hand hin. Stierna drückte sie.
    »Ja, dann adieu, John.«
    »Adieu, Roland.«
    Der Kriminaldirektor verließ das Museum. Stierna ergriff den Stock und ging in die Küche.
    Berg
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