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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde
Autoren: Tobias O. Meißner
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anderthalb Wochen.«
    Â»Und die anderen? Wo sind sie?«
    Â»Cajin ist unten und wäscht ab. Eljazokad und Bestar sind
aufgebrochen zu einer neuen Mission. Eigentlich erwarten wir sie bald zurück.«
    Â»Eljazokad«, fiel es Rodraeg jetzt wieder ein. »Ich bin ihm
begegnet. Auf der Brücke, die aus Blumen war und brannte. Ich hatte … den Weg
verloren. Er schickte mich hierher.«
    Â»Es ist, wie ich vermutet hatte«, sagte Estéron zu Naenn. »Unsere
Lakritze, unsere Gesänge und unsere Fingerfertigkeiten hätten nicht
ausgereicht, um ihn zurückzuholen. Wir sollten ausführlich über alles sprechen
und beratschlagen.«
    Â»Ja«, nickte das Schmetterlingsmädchen. »Sobald du wieder bei
Kräften bist, Rodraeg.«
    Â»Ich fühle mich erstaunlich gut.« Rodraeg schaute sich um. »Ist das
nicht dein Zimmer?«
    Â»Ja.« Sie wurde ein wenig rot.
    Â»Sie hat dich Tag und Nacht gepflegt«, lächelte Estéron. »Warum
gehen wir nicht alle zusammen runter, setzen uns an euren schönen Tisch und
löffeln diese leckere Kerbelsuppe zu Ende, die Naenn gestern zubereitet hat?
Ein wenig Bewegung ist, glaube ich, das Nötigste, was dir jetzt noch fehlt, Rodraeg
Delbane.«
    Cajin ließ sich nicht
überrumpeln. Schon am Geräusch auf der Treppe konnte er hören, dass es nicht
Naenn und Estéron alleine waren, die da herabkamen. Er lief hinzu und half mit,
den klapperigen Rodraeg die steile Stiege hinunterzuführen und zu stützen.
    Dann gab es heiße Suppe und
anschließend blaue Weintrauben. Da es draußen schon dunkelte, entzündete Cajin
Kerzen und Öllämpchen. Der größte Raum im Haus des
Mammuts glühte warm in einem vielfältigen
Licht.
    Rodraeg erzählte in langsamen, ausgewählten Worten von seinem Traum,
der wahrscheinlich kein Traum gewesen war. Wie er auf einer schwelenden
Blumenbrücke stand, nackt, umzingelt von Wasserfällen, und älter wurde, älter,
bis hin zum Greis, der sich nur noch ängstlich am Geländer festhalten konnte,
weil er wusste, eine der beiden Brückenrichtungen bedeutete den Tod. Nach einer
Zeit, die Jahrzehnte gewesen sein müssen, an die Rodraeg aber auch nicht mehr
Erinnerungen hatte als an eine oder zwei Wochen, war Eljazokad aufgetaucht,
ebenfalls vollkommen unbekleidet, und hatte ihn in die richtige Richtung
geführt, »nach Hause, wo Naenn auf dich wartet«.
    Â»Und dann«, schloss Rodraeg, »hat er noch etwas sehr Trauriges zu
mir gesagt. Er sagte, seine Lage sei ziemlich hoffnungslos, und ihr Auftrag war
schon gescheitert, bevor sie überhaupt am Ort des Geschehens ankamen. Und ich
soll euch ausrichten, dass es im Thostwald keine Kaninchen mehr gibt. Dass man
wohl welche aus dem Larnwald übersiedeln müsse. Und die ganze Zeit wusste ich,
ehrlich gesagt, überhaupt nicht, worum es eigentlich geht.«
    Â»Bist du denn überhaupt schon bereit für so etwas?«, fragte Naenn
ihn besorgt, doch Estéron schlug vor: »Zeig ihm einfach den Auftragsbrief. Je
weniger er erfährt, desto mehr Sorgen macht er sich jetzt.«
    Cajin holte den Brief aus Rodraegs Schreibzimmer. Rodraeg las laut
vor:
    Â 
    An das Mammuthaus Warchaim
    C. Cajumery
    Â 
    Ein gutes Leben allen Teilen des
Kontinents!
    Möglicherweise ist die Gruppe noch nicht von
ihrem Einsatz für die Riesen zurückgekehrt, aber vielleicht könnt Ihr, Cajin
und Naenn, von Warchaim aus bereits erste Vorforschungen tätigen in Hinsicht
eines sehr eigenartigen Problems, sodass die Gruppe dann nach ihrem Eintreffen
unverzüglich in Aktion treten kann.
    Im Thostwald ist die Kaninchenpopulation
nahezu zu einhundert Prozent verschwunden.
    Da, wie es bei einer Seuche der Fall wäre,
auch keine Kadaver zu finden sind, scheint uns dies ein Fall für das Mammut zu
sein. Welche weitreichenden Folgen für Nahrungskette und lebendiges
Gleichgewicht eines Landstriches das Verschwinden einer gesamten, vormals sehr
zahlreichen Spezies bedeutet, brauchen wir Euch ja wohl nicht weitschweifig zu
erklären. Von Estérons Freunden im Schmetterlingshain erfuhren wir auf Anfrage,
dass sich im Larnwald nichts an der Kaninchenpopulation geändert hat. Umso
unerklärlicher also das Phänomen im witterungsbedingt sehr ähnlichen Thostwald.
    Wir haben in Erfahrung gebracht, dass es in
dem Dorf Clellach, eine Tagesreise östlich von Miura, einen Waldführer namens
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