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Der Mann, der Donnerstag war

Der Mann, der Donnerstag war

Titel: Der Mann, der Donnerstag war
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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»Und wer und was bist du?«
    »Ich bin der Sabbat«, sprach der andere voll unendlicher Ruhe. »Ich bin Gottesfriede.«
    Der Sekretär sprang auf. Seine kostbare Robe gar sehr unter seinen Händen zerknitternd.
    »Ich weiß wohl, was Sie meinen«, schrie er, »aber just darum kann ich Ihnen nicht verzeihn. Ich weiß, daß Sie die Zufriedenheit sind, der Optimismus, die allerletzte Aussöhnung, wie man das auch nennt. Nun wohl – aber ich bin nicht ausgesöhnt. Wenn Sie der Mann in dem dunklen Zimmer waren, warum waren Sie dann zugleich Sonntag – das Ärgernis des Sonnenlichts? Wenn Sie von Anbeginn unser Vater und unser Freund waren, warum waren Sie zugleich unser größter Feind? Wir weinten, wir flohen vor Schrecken; Schwerter durchbohrten unsere Seelen – und Sie sind der Friede Gottes! Gottes Zorn kann ich Ihm vergeben, obwohl ganze Völker durch die Schale des Zorns ertranken. Aber Gottes Frieden vergeb ich Ihm nie!«
    Sonntag antwortete mit keinem Hauch. Der drehte sein steinern Antlitz nur langsam gen Syme um, und darinnen witterte es wie eine Frage.
    »Nein«, sprach Syme, »so wild kann ich nicht fühlen. «Was bin ich Ihnen im Gegenteil dankbar, nicht allein für den Burgunder und den kalten Fasan und den ganzen Empfang und die ganze köstliche Bewirtung überhaupt, sondern auch für so manches Ausreißen, das wirklich fein war, und so manches offene Gefecht. Aber – – wissen möcht ich gerne! Meine Seele und mein Herz sind so glücklich und still wie dieser alte Garten, nur meine Vernunft empört sich und jammert laut. Wissen möcht ich halt zu gerne noch – wissen!«
    Sonntag sah Ratcliffe an. Und der sprach mit klarer Stimme:
    »Es seheint zu albern, daß Sie auf beiden Seiten gestanden und sich selber bekämpft haben sollen!«
    Bull sprach:
    »Ich verstehe nichts, aber ich bin selig. Und die Wahrheit zu gestehen: mich schläferts mit weißer Decke, wies in jenem Liede heißt – –«
    »Und ich hinwiederum bin nicht selig«, sprach der Professor, den Kopf in den Händen, »weil ich nichts verstehe. Sie ließen mich ein wenig zu nah aller Hölle tappen.«
    Und dann sprach Gogol mit der Einfachheit eines Kindes:
    »Ich möchte nur wissen, warum man mir so übel mitgespielt hat.«
    Noch sprach Sonntag nichts. Noch saß er nur sein mächtiges Kinn in die Hand gestützt und in die Ferne starrend ... Dann aber sprach er: »Ich hab euere Klagen der Reih nach angehört. Aber hier, dünkt mich, kommt ein anderer Kläger, Verklager und Anklagender. Und des Klage sollen wir auch hören.«
    Das ersterbende Feuer in der großen Pechpfanne lohte ein letztes Mal auf – wie glühend Gold – und warf einen Schein übers dunkle Gras hin. Und auf diesem feurigen Band schritten tiefschwarz die Beine einer schwarz gekleideten Gestalt her. Ein feiner eng anschließender Anzug mit Kniehosen schien das, einer von jenen, wie ihn all die Dienerschaft des Hauses trug – nur daß er nicht blau war, sondern von einem absoluten Schwarz. Und die Gestalt, die in diesem Anzug steckte, trug, wie die Dienerschaft, etwas wie einen Degen zur Seite ... Doch erst wie dieser Jemand in den Halbmondkreis der Sieben eintrat und sein Antlitz erhob, den andern ins Gesicht zu schauen, sah Syme mit zu Boden werfender Deutlichkeit: dieses breite, fast affenhafte Jemandsgesicht gehörte niemand anderm als seinem alten Freunde Gregory mit seinem roten Haar und seinem unverschämten Lächeln.
    »Gregory!« japste Syme, und fuhr wieder einmal halb von seinem Sitz auf. »Aber – aber das ist der wahre Anarchist!«
    »Sehr richtig«, sprach Gregory mit großer – gefährlicher Zurückhaltung, »ich bin der wahre Anarchist.«
    »Nun ward aber ein Tag«, murmelte Bull – der tatsächlich eingeschlafen schien, »daß Gottes Kinder vor ihren Gott hintraten – und Satan war ebenfalls unter ihnen ...«
    »Sehr – sehr richtig!« sprach Gregory, und musterte und maß all die Umsitzenden. »Ich bin ein Zerstörer. Ich würde die Welt zerstören, wenn ich könnte.«
    Tief aus der Erde stand ein Pathos auf und fuhr ein in Syme, also daß er plötzlich und ungestüm ausbrach:
    »0 höchstunglücklicher Mann! Versuch doch, glücklich zu sein! Du hast doch das rote Haar deiner Schwester!«
    »Mein rotes Haar soll, wie rotes Feuer, die Welt ansengen und versengen!« schrie Gregory. »Ich dachte, ich haßte ein jedes Ding mehr als gewöhnliche Menschen je ein Ding hassen können. Und nun seh ich: ich haßte kein Ding so sehr als ich Sie – Sie –
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