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Der Mann auf dem Einhorn

Der Mann auf dem Einhorn

Titel: Der Mann auf dem Einhorn
Autoren: Hans Kneifel
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des zweiten aber genau auf ihn zu schwirrte. Das Schwert bewegte sich blitzschnell nach rechts und traf den Speer dicht hinter der Spitze. Der Speer wurde zur Seite gewirbelt und schlug zu Boden. Ein dritter Angreifer tauchte auf, als Mythor genau unter dem Stamm hindurchritt. Er handhabte, das sah Mythor gerade noch aus den Augenwinkeln, eine Schleuder. Der Stein jaulte durch die Luft, traf das Horn des Helmes und zerplatzte dort. Mythor beugte sich aus dem Sattel, schüttelte sich und versuchte, das Brummen seines Schädels zu ignorieren.
    »Sie scheinen mich nicht leiden zu können«, knurrte Mythor und sprengte mit losem Zügel weiter. Der Weg beschrieb eine Biegung nach rechts. Die Hufe des Rappen gruben sich in den Schnee des linken Hanges, als das Tier dem Weg weiter folgte. Es schien die Gefahr zu wittern und wurde, ohne dass Mythor etwas dazu tat, schneller.
    »Verdammt!« Mythor fluchte. »Ich hätte den Wald nicht verlassen sollen.«
    Er ritt einen schrägen Hang hinunter, galoppierte durch den hohen Schnee wieder auf den Hohlweg zurück und schwang Alton über dem Kopf. Wieder heulte ein Stein über ihn hinweg. Ein Pfeil klirrte splitternd von der Klinge Altons ab. Der Hohlweg bildete wieder eine Gerade, eine natürliche Brücke spannte sich, aus gigantischen Steinbrocken zusammengesetzt, über eine Kluft. Sie war nicht sehr tief, aber die Wände bildeten einen glatten doppelten Absturz, ohne jede Treppe und ohne Sims.
    Mythor ritt in hartem Galopp auf den Anfang der seltsamen Brücke zu. Zwischen den Felsen und hinter Schneeanhäufungen sprangen Wildländer hervor, hoben ihre Waffen und zogen die Kapuzen tief in die Gesichter.
    »Es war ein Fehler, den Wald zu verlassen«, knurrte Mythor, setzte die Sporen ein und schob die Stiefel tiefer in die Steigbügel. Er hob das Schwert, das in der beginnenden Dämmerung schwach leuchtete. Es summte schmerzlich auf, als Mythor, halb Furcht im Herzen, halb voll erbittertem Trotz, in der Mitte der Brücke auf die Linie der Wildländer los ritt. Aus den Nüstern des Rappen kamen lange Dampfwolken. Seine trommelnden Hufe warfen Eisbrocken hoch.
    Der erste Speer bohrte sich zwei Handbreit vor dem Pferd in den Schnee. Der Rappe brach den Schaft mit der Schulter ab. Einige Pfeile schwirrten dem Reiter entgegen. Einer riss einen Schnitt in Mythors Mantel, ein anderer zerschnitt das Fell des Rappen an der Kruppe, und das Tier wieherte laut auf, bäumte sich auf, fiel zurück und schlug mit den Vorderhufen zwei Wildländer nieder. Mythors Schwert fuhr aufwärts und abwärts. Der harte Hieb schlug nacheinander zwei Äxte aus den Händen der Wildländer, dann war Mythor durch die Kette hindurch, beugte sich weit nach vorn und schmetterte dem nächsten Gegner, der sich ihm entgegenstellte, den Speer aus den Händen.
    Dann war er am jenseitigen Ende der Brücke, ritt wieder durch einen Hohlweg aufwärts und tauchte, ohne dass ein weiterer Wildländer sich ihm entgegengeworfen hätte, in den nächsten Abschnitt des Waldes ein. Einige hundert Atemzüge lang behielt er den Galopp bei, dann ließ er den Rappen in Trab fallen und schließlich in langsamere Gangart. Es wurde rasch dunkel, und die Nacht kam, als Mythor sich am Rand einer winzigen Lichtung befand. Einmal ritt er um die Lücke zwischen den Bäumen herum, aber er bemerkte nichts, was ihn beunruhigte.
    Zwischen einigen Felsen und in einer Höhlung, die von riesigen Wurzeln, Erdreich, Moos und Schneeschichten gebildet wurde, band er die Zügel des Pferdes fest. Zuerst reinigte er die Wunde des Tieres und strich etwas von einer blauen Salbe darüber, die er im Gepäck des Caer gefunden hatte. Er sammelte Zweige und warf sie dem Rappen vor. Das Tier leckte am Schnee und an den Eiszapfen, und es wieherte dankbar auf, als Mythor es mit trockenem Moos und Gras abrieb.
    Er selbst aß einige Streifen Braten, kaute auf einem harten Brotfladen herum und wickelte sich in seinen Mantel.
    Auch diese Nacht fand er Schlaf, obwohl ihn das Tier viermal weckte. Aber der Rappe schien nur Raubtiere gehört zu haben, keine Wildländer. Mythor behielt den Helm auf dem Kopf und das Schwert in der Hand. So fand er sich am nächsten Morgen wieder, leidlich ausgeschlafen und starr vor Kälte.
    Noch immer wusste er nicht, wo wirklich sein Ziel lag.
    *
    Der Anführer glitt aus dem Sattel, versank bis zu den Knien im Schnee und fasste den Zügel seines Tieres ganz kurz. »Ja, das ist es«, sagte er leise. »Das ist das verwunschene Tal. Aber ich sehe
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