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Der Mann auf dem Einhorn

Der Mann auf dem Einhorn

Titel: Der Mann auf dem Einhorn
Autoren: Hans Kneifel
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unbekannten Kriegern war glimpflich abgelaufen, sagte sich Mythor. Er hatte Glück gehabt. Eine größere Horde und ein anderer Hinterhalt, und er würde nicht ohne Kampf davonkommen.
    Der Helm?
    Der Helm der Gerechten schwieg und half ihm nicht weiter. Mythor war gänzlich ohne Orientierung. Es schneite nicht, der Wind war mäßig, und trotz der Helligkeit gab es keinen Sonnenschein. Mythor ritt nach Süden, aber seine Richtung konnte sich bald wieder ändern. Er war ratlos und wusste nicht, wohin.
    Er ritt bis Mittag weiter, ohne einen weiteren Wildländer auch nur aus der Ferne zu sehen. Die Wahl des Weges überließ er dem Rappen. Das Tier suchte den leichtesten Weg, und der Weg führte jetzt nach Südosten.
    Das flache Land ging zunächst in Gebüsch über, aus den Büschen wuchsen niedrige Bäume, und dann fing wieder ein Waldgürtel an. Das Pferd schob sich zwischen schneebedeckten Zweigen hindurch. Die Hufe trafen auf weiches, federndes Laub. Ab und zu schnellte ein Zweig in die Höhe, und eine schwere Last Schnee krachte und prasselte auf den Boden oder auf Mythors Schultern. Eine wohltuende Ruhe herrschte unter den dichten Baumkronen. Mitten im Wald, auf einem der zahllosen Tierpfade, ließ der Helm sein Summen vernehmen. Mythor atmete auf, als er erkennen konnte, dass der Rappe seinen Weg ungefähr dorthin gerichtet hatte, wohin der Helm jetzt wies.
    Der Pfad wand sich in endlosen Windungen zwischen den Stämmen dahin, folgte einem zugefrorenen Bach, brach plötzlich ab und wurde jenseits eines undurchdringlichen Gebüschs fortgesetzt.
    Ab und zu richtete sich Mythor in den Steigbügeln auf, hielt das Pferd an und lauschte angestrengt.
    Die Tiere des Waldes schienen sich versteckt zu haben. Außer dem Brechen der Äste und dem Poltern der fallenden Schneepolster und jenen Lauten, die Pferd und Reiter selbst verursachten, gab es keinerlei Geräusche. Trotzdem blieb er wachsam und angespannt.
    Der Wald lichtete sich.
    Zwischen den Stämmen leuchtete eine andere Schneefläche. Mythor ritt auf die größte Öffnung zu, die er in dem braunen und grünen Spalier erkannte.
    An der Grenzlinie zwischen Wald und Flachland hielt er an. Seine Augen suchten die Ebene vor sich ab. Es war eine große Lichtung, von Waldrändern, unregelmäßigen Gruppen von schneebedeckten Felsen und einigen kleinen Hügeln umgeben. Ein tiefer Einschnitt lag auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung und schien die logische Fortführung von Mythors Weg zu sein. Es lag nur wenig Schnee auf dem Boden, und Mythor trieb den Rappen an. Das ausgeruhte Tier galoppierte willig und brachte den Reiter schnell bis in die Mitte der freien Fläche.
    Noch war die Lichtung leer. Kein Leben zeigte sich. Während Mythor in den Steigbügeln federte, um dem Rappen die Last nicht zu schwer zu machen, sah er sich immer wieder um. Vor ihm verliefen zahlreiche Spuren. Bis jetzt waren es ausnahmslos Tiere, die hier gewechselt waren.
    Die Ränder des Einschnitts kamen näher. Die Ebene fiel leicht ab und lief in einen Hohlweg aus. Hier entdeckte Mythor zum erstenmal Spuren, die unzweifelhaft von Menschen stammten. Sie kamen von rechts und links, vereinigten sich und bildeten in der Mitte des immer steiler werdenden Einschnitts einen breiten Weg. Der Schnee war bis zu einer dünnen Schicht zusammengetreten worden. Eine düstere Ahnung ergriff Mythor, und er setzte kurz wieder die Sporen ein. Der Rappe spürte die Unruhe des Reiters und wurde schneller. In einem gestreckten Galopp sprengte der junge Krieger durch den Hohlweg. Bisher war sein Misstrauen nicht gerechtfertigt gewesen. Kein Wildländer tauchte auf, keine Geschosse surrten durch die neblige Luft.
    Aber der Hohlweg wurde schmaler und tiefer, die Hänge wurden immer steiler; schließlich wand sich der Weg nach rechts und links. Gestürzte Bäume lagen über dem Einschnitt, ein Windstoß warf breite Schneefahnen von den Kanten. Mythor hob den Kopf und spähte nach oben.
    Vor ihm brach eine Schneeschicht von einem Stamm und fiel wie ein weißer Vorhang mitten auf den Weg. Hinter den hochragenden Wurzeln des gestürzten Baumes erhoben sich zwei Gestalten. Zuerst starrten sie bewegungslos auf Mythor herunter, dann griffen sie hinter sich und hielten Wurfspeere in den Händen. Mythor riss das Schwert hoch und winkelte den Arm vor dem Gesicht ab.
    Die Wildländer griffen ihn ohne Warnung an und schleuderten schweigend die Speere. Mythor sah, dass eines der Geschosse schräg über ihn hinwegflog, die Spitze
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