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Der Maler Gottes

Der Maler Gottes

Titel: Der Maler Gottes
Autoren: Ines Thorn
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würde Jesus selbst ihm diese Farben schicken, ihn übergießen mit überirdischen Farben und Tönen.
    Er weiß nicht, wie ihm geschieht. Er weiß nur, dass er sich Jesus noch nie so nahe gefühlt hat wie in diesem Augenblick. Seine Seele füllt sich mit Dankbarkeit, sprudelt über. Er kann Jesu Liebe fühlen, sein ganzer Brustkorb ist voll davon. Leicht fühlt er sich. Leicht und froh und beglückt. Endlich spürt er ihn, spürt ihn mit jeder Faser seines Herzens, seines Körpers. Er sinkt auf die Knie und ist zu bewegt, um das, was er fühlt, in Worte zu kleiden. Er faltet die Hände und flüstert heiser: »Danke, Herr Jesus. Hab Dank für das Zeichen.«
    Bruder Benedikt wartet schon im Klostergang auf ihn. »Hast du mir die Heilige Jungfrau gemalt?« Matthias nickt und zieht das Bild unter seinem Kittel hervor.
    »Seid behutsam damit, fasst nicht auf die Farben. Sie sind noch nicht alle durchgetrocknet.«
    Eifrig greift der Mönch nach dem Holzbrett, betrachtet es und erstarrt. »Es ist die schönste Jungfrau, die ich je gesehen habe«, flüstert er ergriffen. Dann wühlt er in den Taschen seiner Kutte und drückt Matthias ein Geldstück in die Hand. »Da, nimm! Gott segne dich für dieses Bild. Danke, Matthias, danke!«
    Das Bild wie eine Kostbarkeit vor sich her tragend, hastet er durch den Gang. Matthias steht da und betrachtet das Geldstück. Einen Gulden. So viel. Dafür bekommt man auf dem Markt ein Viertel Schwein. Matthias hat noch nie so viel Geld besessen, hat noch nie welches benötigt. Auch jetzt will er den Gulden nicht. Er hat das Bild zum Lob Gottes gemalt, nicht für Geld. Jesus hat sich ihm gezeigt, das ist mehr, als er erwartet und erhofft hat. Wenn er daran denkt, fließt ein warmes, gutes Gefühl durch seinen Körper. Die weiße Farbe fällt ihm ein. Die Bleiplatte, die er heimlich aus dem Misthaufen geholt und abgekratzt hat. Er schließt seine Hand um den Gulden. Er weiß jetzt, was er damit machen wird. Er wird dem Vater neue Bleiplatten kaufen und sie zurück in den Misthaufen legen.
    Lächelnd eilt er durch den Gang, will in das Studierzimmer, gleich wird der Unterricht beginnen. Noch keine Stunde ist er mit Latein beschäftigt, als ein Mönch den Raum betritt und Matthias bittet, mit ihm zu kommen. Der Mönch führt ihn in die Stube des Präzeptors.
    Jakob Ebelson steht hinter seinem Schreibpult. Vor ihm trippelt Bruder Benedikt mit sorgenvollem Gesicht von einem Bein auf das andere und schaut immer wieder auf das Pult des Präzeptors. Matthias reckt sich und sieht seine Heilige Jungfrau dort liegen. »Hast du dieses Bild gemalt?«, fragt Ebelson. Matthias nickt. Der Präzeptor schickt Bruder Benedikt zurück an seine Arbeit. »Und mein Bild?«, greint der Mönch.
    »Du bekommst es zurück«, verspricht Ebelson und betrachtet die Heilige Jungfrau. Noch lange, nachdem Bruder Benedikt die Klosterstube verlassen hat, schaut er auf die kleine Holztafel.
    Dann sieht er hoch und Matthias direkt in die Augen. »Die heilige Maria trägt ähnliche Züge wie die Statue der heiligen Elisabeth aus der Werkstatt deines Vaters. Ich meine die Statue, die seit zwei Jahren im Feldsiechenhaus vor der Neustadt steht.«
    Der Präzeptor sieht ihn noch immer an, doch die Strenge ist aus seinem Blick gewichen.
    »Du warst es also, der die heilige Elisabeth geschnitzt hat«, stellt Ebelson fest. »Nicht Johannes, dein Bruder, war es und auch nicht dein Vater. Du warst es, Matthias.« Wieder nickt der Junge, weicht dem Blick des Präzeptors nicht aus.
    Ebelson kommt hinter seinem Schreibpult hervor, tritt zu dem Jungen und legt ihm die Hände auf die Schultern. »Matthias«, sagt er. »Gott hat dich mit einer großen Gabe beschenkt. Du musst sie nutzen, diese Gabe. Dein Platz ist nicht im Kloster. Maler und Bildschnitzer musst du werden. Das ist Gottes Wille. In der Statue und in dem Bild der heiligen Maria hat er sich dir offenbart.« Matthias sieht in das gütige, verstehende Gesicht des Präzeptors und nickt.
    Ebelson hat ihm bestätigt, was er schon lange ahnt und was ihm seit der letzten Nacht zur Gewissheit geworden ist. Er, Matthias, hat seine Aufgabe auf dieser Welt. Malen muss er, malen und schnitzen, um den Menschen das wahre Gesicht des Herrn zu zeigen. Es ist kein Zufall, dass sich Jesus ihm beim Malen gezeigt hat. Es ist eine Aufforderung, sich seiner Aufgabe zu stellen. Und er ist bereit für diese Aufgabe. Egal wie, er wird malen und schnitzen.
    Ebelson unterbricht die Gedanken des Jungen mit
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