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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition)
Autoren: Frode Granhus
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ruckte er mit Armen und Beinen, nur um festzustellen, dass die Fesseln kein bisschen nachgaben. Die Anstrengung rief einen stechenden Schmerz im Bauch hervor, und er spürte, wie ihm warme Flüssigkeit über die nackte Haut rann.
    Linds Gebrüll hielt weiter an, doch jetzt klang es eher nach einem Siegesschrei, denn Rino wirkte deutlich schwächer in seiner Gegenwehr. Er war am Ende seiner Kräfte. Niklas wurde klar, dass Rino Gefahr lief, als Nächster auf der Liste von Linds Opfern zu landen, und er riss wieder verzweifelt an seinen Fesseln. Der Schmerz, der von seinem Zwerchfell ausging, war so intensiv, dass ihn eine Welle von Übelkeit überrollte. Er hatte keine Chance, sich zu befreien. Resigniert hob er den Kopf, als wollte er in seiner Verzweiflung einen Gott anflehen, an den er nie geglaubt hatte. Er war fest entschlossen, Lind nicht mehr in die Augen zu sehen und ihm den freudigen Triumph zu versagen. Die Geräusche vom Boden erstarben langsam. Niklas starrte auf den Haken an der Decke. Er sah recht solide aus. Lind hatte an alles gedacht. Fast. Niklas ging auf die Zehenspitzen und spürte, wie sich die Stricke an seinen Füßen spannten, doch er hatte so viel Spielraum gewonnen, dass es ihm beinahe gelang, die Kette seiner Handschellen vom Haken zu lösen. Es handelte sich nur noch um ein paar Zentimeter. Abermals versuchte er es, trotz der reißenden Schmerzen in seiner Wunde. Er wusste, dass diese Kraftanstrengungen das Blut noch rascher aus dem Körper pumpten. Wieder wurde ihm schwarz vor Augen, und er ahnte, dass ihn demnächst die Kräfte verlassen würden. Ein letzter verzweifelter Versuch. Er ging leicht in die Knie, sprang nach oben, soweit es seine Fesseln zuließen, und schaffte es gerade eben, die Kette zwischen seinen Handschellen abzuhaken. Im ersten Moment blieb er schwankend auf gespreizten Beinen stehen. Lind saß immer noch über Rino, der inzwischen völlig leblos wirkte. Wenn Niklas sich nach vorne warf und ihm die Handschellen von hinten über den Hals legte, konnte er ihn herunterziehen. Doch das würde ihm wahrscheinlich nur einen Aufschub bringen, denn Rino schien nicht mehr imstande zu sein, ihm zu helfen. Da schoss ihm das Bild durch den Kopf, wie er vor ein paar Stunden – als er noch Reinhard für den Mörder hielt – zum Auto gegangen war, um sich irgendeine Waffe zu holen und das einzig Greifbare mitgenommen hatte: einen Schraubenschlüssel. Er bückte sich und stellte fest, dass das Werkzeug immer noch in seiner Hosentasche steckte. Er holte es hervor, umfasste es mit beiden Händen und warf sich dann nach vorn. Doch die Fesseln an seinen Beinen stoppten ihn jäh und unerwartet, so dass der Schraubenschlüssel Linds Hinterkopf nur streifte.

49

    Stille.
    Nur das Geräusch seines eigenen hämmernden Herzschlags.
    Er blieb liegen und lauschte angestrengt. Keine Bewegung rundum. Hatte er ihn doch getroffen?
    Noch wagte er nicht, sich zu bewegen, aus Angst, dass er mit der geringsten Bewegung Lind zum Leben erwecken könnte.
    Erst nahm er die Übelkeit wahr, dann den Schmerz. Der Gedanke, dass er aus einer offenen Wunde blutete, verstärkte seine Übelkeit noch. Dann spürte er das Zittern, die krampfhaften Zuckungen an Händen und Füßen. Schließlich wagte er, den Kopf zur Seite zu drehen. Das Erste, was er registrierte, war seine eigene zitternde Hand, die auf ihn wirkte wie ein Fremdkörper. Er drehte den Kopf noch ein Stück und sah in Linds Augen. Sein Kollege hatte sich in halb sitzende Stellung hochgearbeitet und lächelte ihn an. »Guter Versuch, das muss man dir lassen«, sagte er, bevor er seine Faust in Niklas’ Gesicht drosch.
    Niklas glitt langsam in die Bewusstlosigkeit, und dabei wünschte er sich, nicht mehr in der Wirklichkeit aufwachen zu müssen, die er gerade verließ. Wie im Traum beobachtete er, wie Lind ihn wieder hochhievte, spürte den Schmerz, der im Takt seines Herzschlags pulsierte, und die Wärme seines eigenen Blutes. So wollte er sterben, weit weg von allen Sinneseindrücken.
    Das Geräusch von Metall auf Metall holte ihn zurück.
    »Fünfzehn Minuten.« Die Stimme kam wie mit leichter Verzögerung. »Das wird reichen, meinst du nicht auch?« Wie eine eiskalte Dusche. Lind trat auf ihn zu, sah dabei aber seltsam surreal aus, wie eine Luftspiegelung. Rino lag auf dem Boden, die Hände auf dem Rücken gefesselt, was Niklas als Zeichen dafür nahm, dass er immer noch lebte.
    »Zu Anfang war ich ja entschlossen, es so human wie möglich zu
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