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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Autoren: Adam Nevill
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weiß, was für einem schrecklichen Ende sie beiwohnen mussten, nachdem sie von ihrer Herrscherin zusammengerufen wurden, um einem ihrer monströsen Wunder zuzuschauen, um ihrer unendlichen zerstörerischen Eitelkeit zu huldigen, und zwar für immer.
    Einst war sie eine korpulente Bordellmutter gewesen, eine trickreiche Betrügerin, eine Psychopathin und eine Frau, die es verstanden hatte, sich zur Herrscherin über die Ewigkeit krönen zu lassen. Einer Ewigkeit, die doch nur aus Staub und Verdammnis und der Zerstörung jeder Unschuld bestand. Ein grauenhafter Geist, der in ein unschuldiges Kind gefahren war und in einem todkranken Mann bleiben musste, dessen Körper bis zum Skelett abgemagert war, weil er die Exzesse nicht mehr ertrug, zu denen der teuflische Parasit ihn trieb.
    Nach allem, was Kyle erlebt hatte, wollte er nur eins: Dieses Ding töten. Bevor es auf irgendwelche unsichtbaren und schaurigen Wege in diesen kleinen Körper übergehen konnte, der unter der blütenweißen Decke im Bett daneben lag. Denn dort, auf dem weichen Kopfkissen, ruhte der Kopf eines schlafenden Kindes.
    Der Junge rührte sich unter der Decke, aber er wachte nicht auf. Er bewegte sich unruhig hin und her, trat gegen die Bettdecke und murmelte leise vor sich hin. Er schien eine Art Kampf auszufechten. Vielleicht mit einem unnatürlichen Besucher seiner Träume. Mit jemandem, der sich erneut ins Leben einschleichen wollte.
    Kyle versuchte, durch das Plastikzelt zu fassen, aber es war komplett versiegelt. Er trat zurück, an die Seite des Zelts, sodass er die Flanke des schwebenden Monstrums vor sich hatte, und zielte. Dann schoss er und schoss und schoss und schoss auf die erbärmlichen Überreste von Chet Regal. Und feuerte weiter, bis die dünne Gestalt zu zucken begann und weiterzuckte und dann
herabstürzte und mehr mit einem Klappern morscher Knochen als mit dem dumpfen Aufprall eines echten Körpers auf das Bett fiel und sein schwärzliches Blut darüber ergoss.
    Kyle riss und zerrte an der zerschossenen Plastikhülle, bis er sie endlich zerfetzt hatte und eindringen konnte. Er trat an den Fuß des Bettes, in dem das von Kugeln zerfetzte Ding zuckte und keuchte. Die Messgeräte über dem Bett lösten Alarm aus, die Lebensfunktionen waren akut gefährdet. Kyle warf einen Blick auf den Jungen im nebenstehenden Bett. Der hatte sich aufgerichtet, schaute fiebrig und zerzaust um sich und murmelte benommen vor sich hin. Hatte sie es geschafft, sich hinüberzuretten?
    Er starrte die zuckende Gestalt auf dem riesigen Bett an. Der Sterbende riss die Augen auf, und ganz kurz konnte man etwas von der einstigen männlichen Schönheit dieses Hollywood-Stars erahnen, von dem berühmten Chet Regal, den Schwester Katherine adoptiert und missbraucht hatte. Er war das Gefäß gewesen, das die Sektenführerin sich im Jahr 1975 ausgesucht hatte, während ihrer zweiten Nacht des Aufstiegs, die der ersten während der Belagerung von St. Mayenne im Jahr 1566 gefolgt war. Er sah in die Augen dieser Person, die Irvine Levine die »Mutter aller Scheußlichkeit« genannt hatte.
    Der Sterbende öffnete den Mund, versuchte zu sprechen. Eine Hand, die mehr einer Klaue ähnelte, zuckte. Der Kopf hob sich vom schmutzigen Kissen. Er spuckte Blut. Ein Schwall davon lief über sein eingeschrumpftes Kinn. Er hustete so erbärmlich, und es roch so faul und modrig, dass Kyle sich am liebsten abgewandt hätte. Ein grausiges Gurgeln folgte. Dann schimmerte in seinen Augen eine so entsetzliche Gewissheit, dass ihm ein Schrei entfuhr. Ein Wutschrei, der sich schnell in tief empfundene Trauer verwandelte. Und dann jammerte dieses Ding vor sich hin: »Herrscherin … Königin … Tausende …«
    Um sicherzugehen, dass sie den Weg aus diesem Körper nicht doch noch im letzten Moment fand, leerte Kyle das Magazin
seiner Pistole und schoss aus nächster Nähe einen Kugelhagel in das schrumpelige Gesicht, bis nichts mehr davon übrig war.
    Die Fackel verging zu einem schwachen Glimmen, und er wirbelte herum, um nachzusehen, was jetzt auf ihn zukam und auch ihm ein Ende bereitete.
     
    Die Leichen, die in den drei Stuhlreihen saßen, starrten ihn noch immer aus ihren leeren Augenhöhlen an. Ihre Münder waren aufgerissen, und fast kam es ihm vor, als würden sie ihm zujubeln. Hinter ihnen, in der Türöffnung, die er nur noch schwach erleuchten konnte, schien die wuselige Hektik der Blutsfreunde erstorben zu sein. Im ganzen Haus war es ruhig. Es war leer.
    Das Kind auf dem
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