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Der Kleine Prinz (German Edition)

Der Kleine Prinz (German Edition)

Titel: Der Kleine Prinz (German Edition)
Autoren: Antoine de Saint-Exupéry
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eine Gefahr aufmerksam zu machen, die – unerkannt – ihnen wie mir seit langem droht, habe ich so viel an dieser Zeichnung gearbeitet. Die Lehre, die ich damit gebe, ist gewiss der Mühe wert. Ihr werdet euch vielleicht fragen: Warum enthält dieses Buch nicht noch andere, ebenso großartige Zeichnungen wie die Zeichnung von den Affenbrotbäumen? Die Antwort ist sehr einfach: Ich habe wohl den Versuch gewagt, aber es ist mir nicht gelungen. Als ich die Affenbrotbäume zeichnete, war ich vom Gefühl der Dringlichkeit beseelt.

Die Affenbrotbäume

VI
    Ach, kleiner Prinz, so nach und nach habe ich dein kleines schwermütiges Leben verstanden. Lange Zeit hast du, um dich zu zerstreuen, nichts anderes gehabt als die Lieblichkeit der Sonnenuntergänge. Das erfuhr ich am Morgen des vierten Tages, als du mir sagtest:
    »Ich liebe die Sonnenuntergänge sehr. Komm, lass uns einen Sonnenuntergang anschauen …«
    »Da muss man noch warten …«
    »Worauf denn warten?«
    »Warten, bis die Sonne untergeht.«
    Du hast zuerst ein sehr erstauntes Gesicht gemacht und dann über dich selber gelacht. Und du hast zu mir gesagt:
    »Ich bilde mir immer ein, ich sei zu Hause!«
    In der Tat. Wenn es in den Vereinigten Staaten Mittag ist, geht die Sonne, wie jedermann weiß, in Frankreich unter. Um dort einem Sonnenuntergang beizuwohnen, müsste man in einer Minute nach Frankreich fliegen können. Unglücklicherweise ist Frankreich viel zu weit weg. Aber auf deinem so kleinen Planeten genügte es, den Sessel um einige Schritte weiterzurücken. Und du erlebtest die Dämmerung, so oft du es wünschtest …
    »An einem Tag habe ich die Sonne vierundvierzigmal untergehen sehen!«
    Und ein wenig später fügtest du hinzu:
    »Du weißt doch, wenn man recht traurig ist, liebt man die Sonnenuntergänge …«
    »Am Tage mit den vierundvierzigmal warst du also besonders traurig?« Aber der kleine Prinz antwortete nicht.

VII
    Am fünften Tag war es wieder das Schaf, das ein Lebensgeheimnis des kleinen Prinzen enthüllen half. Er fragte mich unvermittelt, ohne Umschweife, als pflückte er die Frucht eines in langem Schweigen gereiften Problems:
    »Wenn ein Schaf Sträucher frisst, so frisst es doch auch die Blumen?«
    »Ein Schaf frisst alles, was ihm vors Maul kommt.«
    »Auch die Blumen, die Dornen haben?«
    »Ja. Auch die Blumen, die Dornen haben.«
    »Wozu haben sie dann die Dornen?«
    Ich wusste es nicht. Ich war gerade mit dem Versuch beschäftigt, einen zu streng angezogenen Bolzen meines Motors abzuschrauben. Ich war in großer Sorge, da mir meine Panne sehr bedenklich zu erscheinen begann, und ich machte mich aufs Schlimmste gefasst, weil das Trinkwasser zur Neige ging.
    »Was für einen Zweck haben die Dornen?«
    Der kleine Prinz verzichtete niemals auf eine Frage, wenn er sie einmal gestellt hatte. Ich war völlig mit meinem Bolzen beschäftigt und antwortete aufs Geratewohl:
    »Die Dornen, die haben gar keinen Zweck, die Blumen lassen sie aus reiner Bosheit wachsen!«
    »Oh!«
    Er schwieg. Aber dann warf er mir in einer Art Verärgerung zu:
    »Das glaube ich dir nicht! Die Blumen sind schwach. Sie sind arglos. Sie schützen sich, wie sie können. Sie bilden sich ein, dass sie mit Hilfe der Dornen gefährlich wären …«
    Ich antwortete nichts und sagte mir im selben Augenblick: Wenn dieser Bolzen noch lange bockt, werde ich ihn mit einem Hammerschlag heraushauen müssen.
    Der kleine Prinz störte meine Überlegungen von neuem:
    »Und du glaubst, dass die Blumen …«
    »Aber nein! Aber nein! Ich glaube nichts! Ich habe irgendetwas dahergeredet. Wie du siehst, beschäftige ich mich mit wichtigeren Dingen!«
    Er schaute mich verdutzt an.
    »Mit wichtigeren Dingen!«
    Er sah mich an, wie ich mich mit dem Hammer in der Hand und vom Schmieröl verschmutzten Händen über einen Gegenstand beugte, der ihm ausgesprochen hässlich erscheinen musste.
    »Du sprichst ja wie die großen Leute!«
    Das beschämte mich. Er aber fügte unbarmherzig hinzu:
    »Du verwechselst alles, du bringst alles durcheinander!«
    Er war wirklich sehr aufgebracht. Er schüttelte sein goldenes Haar im Wind.
    »Ich kenne einen Planeten, auf dem ein puterroter Herr haust. Er hat nie den Duft einer Blume geatmet. Er hat nie einen Stern angeschaut. Er hat nie jemanden geliebt. Er hat nie etwas anderes als Additionen gemacht. Und den ganzen Tag wiederholt er wie du: Ich bin ein ernsthafter Mann! Ich bin ein ernsthafter Mann! Und das macht ihn ganz geschwollen vor
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