Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kleine Prinz (German Edition)

Der Kleine Prinz (German Edition)

Titel: Der Kleine Prinz (German Edition)
Autoren: Antoine de Saint-Exupéry
Vom Netzwerk:
»Was bedeutet ›vergänglich‹?«
    »Ob die Vulkane erloschen oder tätig sind, kommt für uns aufs Gleiche hinaus«, sagte der Geograf. »Was für uns zählt, ist der Berg. Er verändert sich nicht.«
    »Aber was bedeutet ›vergänglich‹?«, wiederholte der kleine Prinz, der in seinem Leben noch nie auf eine einmal gestellte Frage verzichtet hatte.
    »Das heißt ›von baldigem Entschwinden bedroht‹.«
    »Ist meine Blume von baldigem Entschwinden bedroht?«
    »Gewiss.«
    Meine Blume ist vergänglich, sagte sich der kleine Prinz, und sie hat nur vier Dornen, um sich gegen die Welt zu wehren! Und ich habe sie ganz allein zu Hause zurückgelassen!

    Das war seine erste Regung von Reue. Aber er fasste wieder Mut.
    »Was raten Sie mir, wohin ich gehen soll?«, fragte er.
    »Auf den Planeten Erde«, antwortete der Geograf, »er hat einen guten Ruf …«
    Und der kleine Prinz machte sich auf und dachte an seine Blume.

XVI
    Der siebente Planet war also die Erde.
    Die Erde ist nicht irgendein Planet! Man zählt da hundertelf Könige, wenn man, wohlgemerkt, die Negerkönige nicht vergisst, siebentausend Geografen, neunhunderttausend Geschäftsleute, siebeneinhalb Millionen Säufer, dreihundertelf Millionen Eitle, kurz – ungefähr zwei Milliarden erwachsene Leute.
    Um euch einen Begriff von den Ausmaßen der Erde zu geben, muss ich euch sagen, dass man vor der Erfindung der Elektrizität dort auf allen sechs Kontinenten zusammen eine ganze Armee von vierhundertzweiundsechzigtausendfünfhundertelf Laternenanzündern im Dienst hatte.
    Von einiger Entfernung aus gesehen, wirkte das prächtig. Die Bewegungen dieser Armee waren gedrillt wie die eines Opernballetts. Den Reigen begannen die Anzünder der neuseeländischen und australischen Laternen. Hatten sie ihre Lampen angezündet, gingen sie schlafen. Dann traten die Laternenanzünder von China und Sibirien zum Tanz an. Auch sie verschwanden hinter den Kulissen. Dann kamen die russischen und indischen Laternenanzünder an die Reihe. Dann die von Afrika und Europa. Dann die von Südamerika. Dann die von Nordamerika. Und niemals irrten sie sich in der Reihenfolge ihres Auftritts. Es war großartig.
    Nur der Anzünder der einzigen Laterne am Nordpol und sein Kollege von der einzigen Laterne am Südpol führten ein Leben voll Müßiggang und Gemütlichkeit: Sie arbeiteten zweimal im Jahr.

XVII
    Will man geistreich sein, dann kommt es vor, dass man ein bisschen aufschneidet. Ich war nicht ganz aufrichtig, als ich euch von den Laternenanzündern erzählte. Ich laufe Gefahr, denen, die unseren Planeten nicht kennen, ein falsches Bild von ihm zu geben. Die Menschen benutzen nur sehr wenig Raum auf der Erde. Wenn die zwei Milliarden Einwohner, die die Erde bevölkern, sich aufrecht und ein bisschen gedrängt hinstellten, wie bei einer Volksversammlung etwa, kämen sie auf einem öffentlichen Platz von zwanzig Meilen Länge und zwanzig Meilen Breite leicht unter. Man könnte die Menschheit auf der geringsten kleinen Insel des Pazifischen Ozeans zusammenpferchen.
    Die großen Leute werden euch das freilich nicht glauben. Sie bilden sich ein, viel Platz zu brauchen. Sie nehmen sich wichtig wie Affenbrotbäume. Gebt ihnen also den Rat, sich es auszurechnen. Sie beten die Zahlen an, das wird ihnen gefallen. Aber ihr sollt eure Zeit nicht damit verlieren. Es ist zwecklos. Ihr habt Vertrauen zu mir.
    Einmal auf der Erde, wunderte sich der kleine Prinz, niemanden zu sehen. Er fürchtete schon, sich im Planeten geirrt zu haben, als ein mondfarbener Ring sich im Sande bewegte.
    »Gute Nacht«, sagte der kleine Prinz aufs Geratewohl.
    »Gute Nacht«, sagte die Schlange.
    »Auf welchen Planeten bin ich gefallen?«, fragte der kleine Prinz.
    »Auf die Erde, du bist in Afrika«, antwortete die Schlange.
    »Ah! … es ist also niemand auf der Erde?«
    »Hier ist die Wüste. In den Wüsten ist niemand. Die Erde ist groß«, sagte die Schlange.
    Der kleine Prinz setzte sich auf einen Stein und hob die Augen zum Himmel.
    »Ich frage mich«, sagte er, »ob die Sterne leuchten, damit jeder eines Tages den seinen wiederfinden kann. Schau meinen Planeten an. Er steht gerade über uns … Aber wie weit ist er fort!«
    »Er ist schön«, sagte die Schlange. »Was willst du hier machen?«
    »Ich habe Schwierigkeiten mit einer Blume«, sagte der kleine Prinz.
    »Ah!«, sagte die Schlange.
    Und sie schwiegen.
    »Wo sind die Menschen?«, fuhr der kleine Prinz endlich fort. »Man ist ein bisschen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher