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Der Klang des Verderbens

Der Klang des Verderbens

Titel: Der Klang des Verderbens
Autoren: Leslie Parrish
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gebrauchen. Niemand wusste davon, aber sie hatte ihren »Sonder«-Fall nicht aufgegeben, sondern auf eigene Faust daran gearbeitet, wann immer sich die Gelegenheit bot. Auch wenn sie nicht mit Jeremy darüber gesprochen hatte, weil er sich eher an die Regeln hielt und zumindest nie
zugeben
würde, dass er etwas Verbotenes tat, würde sie wetten, dass er dasselbe machte wie sie. Eine solche Ermittlung konnte man nicht einfach aufgeben, selbst wenn seit Juli niemand mehr ermordet worden war und sie seither kein Stück vorangekommen waren.
    Wenn der Fall bloß eine Sache des D.C.P.D. gewesen wäre, wäre sie zweifellos immer noch mit der Ermittlung betraut. Oder wenn Ronnie nicht herausgefunden hätte, wer ihren Partner angegriffen, verstümmelt und anschließend seinem Schicksal überlassen hatte – dann würde
irgendwer
in ihrer Abteilung noch nach Aufklärung schreien. Aber weil das Rätsel zur Hälfte gelöst war – und der Mörder dabei gestorben – und weil der Fall in mehrere Zuständigkeitsbereiche gefallen war, mitsamt verschiedenen Budgets, Geheimprogrammen und dem ständigen politischen Geklüngel in dieser Stadt, war ihr der Fall nach nur vier Monaten entrissen worden.
    Scheitern war sie nicht gewohnt. Und es schmeckte ihr nicht im Geringsten.
    »Und Sie? Sind
Sie
schon mal nachlässig geworden?«, fragte Baxter keck.
    Ronnie lächelte nicht und witzelte nicht zurück. Denn gerade im Sommer war sie tatsächlich unaufmerksam gewesen. Sie hatte sich auf eine kurze Dienstreise eingelassen und war deswegen nicht für ihren Partner da gewesen, als er überfallen worden war. Das würde sie nie verwinden. Nie.
    »Ja«, antwortete sie schließlich. »Auch ich.«
    »Was ist passiert?«
    Da sie nicht auf diese spezielle Geschichte eingehen wollte, dachte sie stattdessen an ihr erstes schlimmes Erlebnis beim Mordfall im Weißen Haus, das weniger die Folge von fehlender Konzentration als vielmehr von purem Leichtsinn war. Ihrem eigenen Leichtsinn.
    »In der Nacht, als damals die Frauenleiche im Weißen Haus gefunden wurde, bin ich dem Mörder in die Falle getappt.« Sie zeigte auf ihr kurzes, rabenschwarzes Haar. »Die waren mal ziemlich lang. Nachdem ich ein Kantholz gegen den Schädel bekommen habe, wurde mir ein dickes Büschel abrasiert, und dann habe ich den Rest auch noch abgeschnitten.«
    Baxters Augen weiteten sich. »Das ist nicht Ihr Ernst!«
    »Doch. Eine schmerzhafte Lektion, immer auf Verstärkung zu warten.«
    »Danke«, sagte Baxter und nickte langsam, als würde sie sich das wirklich hinter die Ohren schreiben. »Das merke ich mir. Und wenn Sie mich fragen, der Kurzhaarschnitt steht Ihnen super. Wirkt so dramatisch mit Ihrer blassen Haut und den dunklen Augen. Lange Haare kann ich mir bei Ihnen überhaupt nicht vorstellen. Ihr Friseur ist ein Genie.«
    Ronnie hatte nicht vor, der jungen Frau den Namen ihres Friseurs zu nennen. Denn Max, ihr guter Freund und Nachbar, war zwar wunderbar, wenn es um Frauenhaar ging, doch ebenso furchtbar, wenn es um Frauenherzen ging. Er war ein geiler Bock, der Frauen verbrauchte wie Taschentücher, und diese kleine Südstaatenschönheit würde ihn niemals heil überleben.
    Sie ist ein Bulle. Sie wird Schlimmeres überleben müssen als Max.
    »Und dieser Mord im Weißen Haus, der war ziemlich scheußlich, oder?«, fragte Baxter und lenkte das Gespräch unauffällig von Kosmetikfragen zu Polizeithemen zurück. »Ich hab davon in der Zeitung gelesen. Und von
Ihnen

    »Ja, das war ziemlich schlimm.«
    »Haben Sie es jemals bereut, diesen Wilders getötet zu haben, der seine Assistentin ermordet und Ihren Partner angeschossen hat?«
    Ronnie schnaubte. »Wenn Sie damit meinen, dass es mir leidtut, dass ich mir den Kerl nicht vorgeknöpft habe,
bevor
er ein Blutbad anrichten konnte, dann lautet die Antwort eindeutig Ja. Das hätte uns allen einen Haufen Kummer erspart.«
    Sie drehte sich mit ihrem Stuhl um, betrachtete angelegentlich ihre Tastatur und beendete so das Gespräch ohne ein weiteres Wort. Wenn sie über Wilders sprach – den sie in einem Tunnel unterm Weißen Haus erschossen hatte –, würde sie nur wieder an den zweiten Mörder denken müssen, der unerkannt mit heiler Haut davongekommen war.
    Jeder Bulle wusste, dass irgendwann der Fall kam, der einem an die Nieren ging und einen nie losließ. Der einen verfolgte, bis all diese offenen Fragen einem regelrecht das Gehirn zermarterten.
    Wenn sie keine Antworten bekam, würden die ungelösten Morde vom Juli
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