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Der Katalysator

Der Katalysator

Titel: Der Katalysator
Autoren: Charles L. Harness
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Ar­me aus und zog ihn über sich, und wie­der be­gann sie sich un­ter ihm zu be­we­gen.
    Dies war das gol­de­ne Ge­schenk der Zeit, die Ent­schä­di­gung für al­les, was ge­we­sen war, und al­les, was fol­gen wür­de. Er dach­te an Bil­ly, und es gab kei­ne Ver­gan­gen­heit. Er wür­de bei Ma­ry lie­gen, und es wür­de nichts als die Ge­gen­wart ge­ben, und die­se Au­gen­bli­cke wür­den ewig an­dau­ern.
    „Jetzt!“ flüs­ter­te er sei­ner Frau zu. Er­staunt. Ein ju­we­len­schim­mern­des Cre­scen­do. Und vor­über. Ein Nach­klang wie von Wo­gen, die sich im un­end­li­chen Meer bra­chen.
    Dann schlie­fen sie ein.
    Nach ei­ner Wei­le weck­te sie et­was. Ein schwa­ches Leuch­ten an der De­cke und oben an den Wän­den. Hat­te ir­gend­ei­ne elek­tro­tech­ni­sche Fehl­schal­tung das Pan­ora­ma ak­ti­viert?
    Tat­säch­lich wa­ren die Lu­mi­nex-Schir­me zum Le­ben er­wacht. Aber die Sze­ne­rie war nicht Pa­ris. Es war nicht et­was, das sie kann­te. Es war über­haupt kein Blick auf et­was hin­un­ter. Es war ei­ne Sze­ne in Au­gen­hö­he, und es be­weg­te sich, als gin­ge sie hin­durch.
    Sie war so über­rascht, daß sie über­haupt nicht dar­an dach­te, Paul zu we­cken, der ru­hig at­mend ne­ben ihr schlief.
    Be­hut­sam lös­te sie sich aus dem Arm ih­res Man­nes und rich­te­te sich auf. Das Licht schi­en hel­ler zu wer­den, aber viel­leicht ge­wöhn­ten sich auch nur ih­re Au­gen dar­an. Auf je­den Fall konn­te sie jetzt ziem­lich deut­lich se­hen. Sie schi­en sich durch ei­ne lich­te Baum­grup­pe zu be­we­gen. So­fort dach­te sie an den Nach­mit­tag am C&O-Ka­nal. In ih­rer Na­se krib­bel­te es. Der Ge­ruch war der glei­che wie der in dem ver­las­se­nen Schleu­sen­haus am Ka­nal: frisch, grün, wür­zig, aro­ma­tisch. Dort war der Duft von den Wei­den­blät­tern ge­kom­men. Aber nein – dies war nicht der Ka­nal. Die Bäu­me wa­ren die glei­chen. Es wa­ren Wei­den. Aber der Ort war ein an­de­rer – ein ganz an­de­rer. Weit­ab zur Rech­ten rag­te ei­ne son­der­ba­re, ske­lett­ar­ti­ge Struk­tur em­por. Ei­ne Kon­struk­ti­on aus Stahl­trä­gern. Ei­ne Brücke? Höchst­wahr­schein­lich. Und jetzt hat­te sie den Rand des klei­nen Hains er­reicht und war ste­hen­ge­blie­ben, als wol­le sie lau­schen. Es war Abend, und sie hör­te das Gur­geln von flie­ßen­dem Was­ser. An­schei­nend spann­te sich die Brücke über einen klei­nen Fluß oder einen Bach. Sie hör­te das Qua­ken von Fröschen, und die Wei­den­blät­ter hin­ter ihr ra­schel­ten in ei­ner leich­ten Bri­se. Ir­gend­wo vor ihr er­klang in me­lan­cho­li­scher Wie­der­ho­lung der Lock­ruf ei­nes Vo­gels, ei­nes Zie­gen­mel­kers.
    Ein fer­ner Teil ih­res Un­ter­be­wußt­seins mel­de­te sich zu Wort: Kei­ne Klang- oder Ge­ruchser­leb­nis­se bei die­sem Lu­mi­nex. Nicht da­zu pro­gram­miert. Sie schüt­tel­te den Hin­weis ab und ging wei­ter.
    Die ge­sam­te Sze­ne ge­hör­te ihr, und sie konn­te sich frei dar­in be­we­gen. Sie stieg die klei­ne Bö­schung zu den Bahn­glei­sen hin­auf, dreh­te sich um und schau­te hin­aus über die Brücke. Und dort, am an­de­ren En­de, sah sie die Ge­stalt, die zu ihr her über­schau­te. Es war ei­ne leuch­ten­de Er­schei­nung, aber sie er­kann­te einen Kör­per mit Ar­men, Bei­nen und ei­nem Kopf.
    Ma­ry war nackt und kam aus dem Hoch­zeits­bett, aber sie wuß­te, daß ih­re Nackt­heit be­deu­tungs­los war. Es war, als sei sie ei­ne Nym­phe, ei­ne Na­ja­de in ei­ner Hir­ten­sze­ne zu­sam­men mit ei­nem grie­chi­schen Gott.
    Und jetzt konn­te sie auch die Ge­sichts­zü­ge er­ken­nen. Das Ge­sicht hat­te große Ähn­lich­keit mit dem von Dr. Se­ra­ne, aber es war nicht Se­ra­ne. Das zu­rück­ge­kämm­te, in der Mit­te ge­schei­tel­te Haar war das glei­che, die Au­gen und die Wan­gen wa­ren die glei­chen, und das Lä­cheln war das glei­che. Aber die­ses Ge­sicht war jün­ger, schma­ler, und die Au­gen dar­in brann­ten.
    Sie hat­te es noch nie zu­vor ge­se­hen, aber sie er­kann­te es.
    Paul war in­zwi­schen auf­ge­wacht, und er sah al­les kaum we­ni­ger ver­blüfft mit an. Aber Ma­ry hat­te ihn völ­lig ver­ges­sen. Für sie exis­tier­te nur die selt­sa­me,
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