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Der Höllenbote (German Edition)

Der Höllenbote (German Edition)

Titel: Der Höllenbote (German Edition)
Autoren: Edward Lee
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arbeiten – er war der perfekte Trottel. Scheiße, ich wollte keine Kinder, ich hasse Kinder. Aber zu arbeiten, hasse ich noch mehr, also dachte ich mir: So ein kleiner Hosenscheißer wird schon nicht so schlimm sein.«
    Jimmy glotzte sie nur an.
    »Aber du bist ein guter Junge, Jimmy. Das hast du bestimmt von deinem Vater, denn ich bin ganz sicher kein guter Mensch. Keine Sorge, du wirst später einmal so wie dein Vater. Ein perfekter Trottel, ein Armleuchter.«
    Jimmy wurde schwindelig.
    »Ich habe deinen Vater bei jeder Gelegenheit betrogen ...«
    Jimmy rannte zum Nachbarhaus, zu den Norahees. Vor Schock und Entsetzen fühlte er sich ganz benommen; er konnte nicht mehr klar denken. Nur sein Instinkt trieb ihn an. Die Haustür stand einen Spalt weit offen, also stürmte er hinein.
    Der Flur war voller Blut, genau wie zu Hause. Mrs. Norahee lag geköpft auf der Treppe, und als er in die Küche rannte ...
    »Deine Mutter ist jetzt in der Hölle«, sagte der Kopf von Mrs. Norahee. »Das kannst du mir glauben. Ich bin nämlich bei ihr.«
    Dem Wahnsinn nahe rannte Jimmy in jedes Haus in der Gatesman Lane. Überall das gleiche Bild.
    Vor dem letzten Haus brach er zusammen. Sein Verstand stand kurz davor, komplett den Dienst zu verweigern. Mit halbem Ohr nahm er einen kurzen Schrei aus dem Gebäude an der nächsten Straßenecke wahr. Einen Augenblick später sah er den Postboten herauskommen und gemächlich zu den Nachbarn gehen. Bevor er an die Tür klopfte, drehte sich der Mann langsam um und winkte Jimmy lächelnd zu.

Kapitel 1
    20 Jahre später
    (I)
    Mit einem lauten Schnipp durchtrennten die rostfreien Klingen der Schere das gelbe Band. Als es zu Boden fiel, applaudierte die kleine Menschenmenge, die sich zu der Feierstunde eingefunden hatte.
    Das war einfach, fand Jane. Sie reichte die Schere zurück an den Bürgermeister. Einige Kameras blitzten auf und der Applaus wurde lauter. Unter den Gästen fanden sich sogar ein paar Reporter und Fotografen von den Lokalzeitungen. Eigentlich war es keine große Sache, aber es wirkte trotzdem so. Dieses ganze Trara. Und wozu? Meine Güte, wir eröffnen doch nur ein neues Postamt! Aber in einer Kleinstadt war das nun einmal ein echtes Ereignis. Jane hielt nicht viel von Presse und Publicity – sie war mehr die Pragmatikerin. Sie fühlte sich sogar ein wenig unwohl.
    Ja, dachte sie noch einmal. Das war einfach. Jetzt beginnt der schwierige Teil.
    »Vielen Dank, Jane«, sagte der Bürgermeister ins Mikrofon; durchaus möglich, dass er sich vor der Eröffnungszeremonie schon den einen oder anderen Wodka Tonic genehmigt hatte. »Nachdem das Band nun durchtrennt ist, darf ich Sie alle zu Keksen und Punsch in das neue Postamt einladen!«
    »Oh Gott«, raunte Carlton Spence ihr zu. »Kekse und Punsch. Wie spießig ist das denn?«
    »Wart’s nur ab«, flüsterte Jane zurück. »Du hast den Punsch noch nicht probiert.«
    Jane lächelte und nickte und schüttelte den Besuchern die Hände, als sie an ihr vorbei ins Gebäude strömten. Dieses Spiel beherrsche ich nicht besonders gut, dachte sie. Als der größte Teil der Menschenschlange drinnen angekommen war, seufzte Carlton. Er arbeitete jetzt als Janes Stellvertreter. Ein freundlicher und liebenswürdiger Kerl, Anfang 40, immer für eine sarkastische Bemerkung zu haben. Er beherrschte seinen Job so gut wie Jane ihren eigenen, deshalb wusste sie, dass sie beide ein hervorragendes Team abgaben. Und manchmal hatte er ein überraschend feines Gespür.
    »Entweder hat dir heute Morgen dein Hund in die Schuhe gepinkelt«, sagte er, »oder unsere wunderbare Einweihungsfeier geht dir gehörig auf die Nerven.«
    »Ich hab keinen Hund.«
    »Ich weiß.«
    Sie lächelte matt. »Ich will nur endlich weitermachen. Diesen Quatsch hinter mich bringen und meinen Job erledigen.«
    Carlton kratzte sich den Bierbauch, an dem er die letzten 20 Jahre hart gearbeitet hatte. »So ist es nun einmal mit der Kommunalpolitik. Die Einweihung eines Postamts bedeutet in einem Kaff wie Danelleton genauso viel wie die Einweihung eines Einkaufszentrums in einer richtigen Stadt.« Ein Fotograf erwischte einen Schnappschuss von ihnen beiden und eilte dann ins Gebäude. Carlton runzelte die Stirn. »Außerdem brauchen die Lokalzeitungen doch etwas, worüber sie schreiben können, oder?«
    Jane verstand die Anspielung. Danelleton hatte eine der niedrigsten Pro-Kopf-Verbrechensraten im gesamten Bundesstaat. Ich sollte mich freuen, dass das hier die Top-Story der Woche
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