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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald
Autoren: Adalbert Stifter
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leuchteten voran, neugierig das fernere Geheimniß des Waldes suchend -
Johanna's Augen waren es
, die heiter, glänzend, freudig vorausflogen, um die Schönheit des Tages und die ausnehmende Lieblichkeit des Plätzchens vorweg zu genießen - auch das Pferdchen, Luft gewinnend, zwischen den hochschaftigen weitstehenden Bäumen, spielte neckisch vorwärts, baumelnd und neigend mit Kopf und Hals, als wollte es zu eigener Freude recht oft das silberne Glöcklein erklingen lassen, das es an himmelblauem Bande um den Nacken trug. Hinter Johanna erschien nun auch Clarissa, auf einem ähnlich gezäumten Pferde, das aber hellbraun und ohne den kindischen Schmuck des Glöckleins war. Sie trug ebenfalls ein weißes Kleid.
    Auch der stattliche alte Ritter wurde sofort sichtbar und ihm zur Seite ein schöner blonder Jüngling, oder vielmehr fast noch ein Knabe, der oben angeführte Felix, der Bruder der Mädchen, beide zu Pferde, und endlich noch ein fünfter Reiter, ein hoher Mann mit sprechendem Antlitze, nachlässig edel sein Pferd zwischen den schlanken Waldsäulen vorwärts geleitend, - und, wie es schien, in seine dunklen Augen nachdenklich einprägend die so schönen vor ihm schwebenden, schuldlosen Gestalten.
    Die Waldblumen horchten empor, das Eichhörnchen hielt auf seinem Buchenast inne, die Tagfalter schwebten seitwärts, als sie vordrangen, und die Zweiggewölbe warfen blitzende grüne Karfunkel und fliegende Schatten auf die weißen Gewänder, wie sie vorüberkamen; der Specht schoß in die Zweige, Stamm an Stamm trat rückwärts, bis nach und nach nur mehr weiße Stückchen zwischen dem grünen Gitter wankten - und endlich selbst die nicht mehr - aber auch der Reiter tauchte in die Tiefe des Waldes, und verschwand, und wieder nur der glänzende Rasen, die lichtbetupften Stämme, die alte Stille und Einöde und der dareinredende Bach blieben zurück, nur die zerquetschten Kräutlein suchten sich aufzurichten und der Rasen zeigte seine zarte Verwundung. - Vorüber war der Zug - unser lieblich Waldplätzchen hatte die ersten Menschen gesehen.
    Immer entlang dem Waldbache, aber seinen Wassern entgegen geht der Zug, sich vielfach windend, und biegend, um den tiefer hängenden Aesten und dem dichteren Stande der Bäume auszuweichen. - Sie betrachten und vergnügen sich an den mancherlei Gestaltungen des Waldes. Die vielzweigige Erle geht am Wasser hin, die leichte Buche mit den schönfarbigen Schaften, die feste Eiche, die schwanken Halme der Fichten stehen gesellig, und plaudern bei gelegentlichen Windhauchen, die Espe rührt hiebei gleich
alle
ihre Blätter, daß ein Gezitter von Grün und Silber wird, das die Länge lang nicht auszutaumeln und auszuschwingen vermag - der alte Ahorn steht einsam und greift langarmig in die Luft - die Tannen wollen erhabne Säulengänge bilden, und die Büsche, Beeren und Ranken, gleichsam die Kinder, sind abseits und zurück in die Winkel gedrängt, daß mitten Raum bleibe für hohe Gäste. Und diese sind auch gekommen. Frei und fröhlich ziehen sie das Thal entlang.
    Wer die Gesichter der Mädchen ansieht, wie sie doppelt rein und zart neben dem dunklen Grunde des Waldlaubes dahinschweben, wie sie blühend und vergnügt aus dem wallenden weißen Schleier des Kopfschmuckes herausblicken - der hätte nicht gedacht, daß sie sich noch kürzlich so sehr vor diesen Wäldern fürchteten und scheuten. Johanna blieb fast immer an der Spitze, wie sie ihrer Natur gemäß, sich vorher unmäßig fürchtete, so freute sie sich auch jetzt unmäßig - und von dem zarten Roth, das sie sich beim Abschiede vom Hause in die Augen geweint hatte, war keine Spur mehr sichtbar.
    Die Pracht und Feier des Waldes mit allem Reichthume und aller Majestät drang in ihr Auge und legte sich an ihr kleines Herz, das so schnell in Angst, aber auch so schnell in Liebe überfloß - und jeder Schritt gab ihrer Einbildungskraft neuen Stoff, war es nun ein seltsamer Strauch, mit fremden glühend rothen Beeren überschüttet, oder war es ein mächtiger Baum von ungeahnter Größe - oder die schönen buntfarbigen Schwämme, die sich an Stellen schoben und drängten, oder war es ein plötzlich um eine Ecke brechender Sonnenstrahl, der die Büsche vor ihr in seltsames grünes Feuer setzte, und aus unsichtbaren Waldwässerchen silberne Funken lockte, - oder war es endlich dieser oder jener Ton, der als Schmelz, oder Klage, als Ruf oder Mahnung aus der Kehle eines Waldvogels tief aus den ferneren geahneten Waldschooßen drang.
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