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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald
Autoren: Adalbert Stifter
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die Sänfte etwas halten ließ, ging der Blick wohl noch mehr ins Weite und Breite, aber kein Streifchen nur linienbreit wurde draußen sichtbar, das nicht dieselbe Jungfräulichkeit des Waldes trug. - Ein Unmaß von Lieblichkeit und Ernst schwebte und webte über den ruhenden dämmerblauen Massen. - Man stand einen Augenblick stumm, die Herzen der Menschen schienen die Feier und Ruhe mitzufühlen; denn es liegt ein Anstand, ich möchte sagen ein Ausdruck von Tugend in dem von Menschenhänden noch nicht berührten Antlitze der Natur, dem sich die Seele beugen muß, als etwas Keuschem und Göttlichem, - - und doch ist es zuletzt wieder die Seele allein, die all ihre innere Größe hinaus in das Gleichniß der Natur legt.
    Die Gemüther der Mädchen, wie sie so dasaßen in ihrer Sänfte und wie zwei Engelsbilder aus einem Rahmen herausschauten, erweiterten sich und hoben sich, und fast war alle Sorge um zu Hause verlassene Erdengüter von ihnen abgefallen - die Blumen ihrer Herzen, die Augen, schauten glänzend hinaus in die schöne Welt, und waren selbst schöner als sie - auf ihrem schmalen Brettchen mußten sie Jede den einen Arm um die Andere schlingen, und die Herzen, die sich fast gegenseitig schlagen hörten, hätten sich gerne noch fester aneinander gedrückt, um sie nur zeigen zu können die unbegränzte Fülle von Liebe und Güte, die sie zueinander hatten.
    Der alte Gregor tupfte endlich mit der Hand an den Sänftenrand, und zeigte rechts hinüber auf einen machtvollen schwarzblau hereingehenden Waldrücken, von grauen Felsenbändern schräge gestreift, die aber kaum sichtbar waren in dem Funkeln und Dämmern der Luft. - »Seht,« sagte er, »das ist das Ziel unserer Reise, und wir müssen heute noch fast bis auf zwei Drittel gegen seine Schneidelinie hinauf. Der Platz hier hat etwas wunderlich Zuthunliches, und ich wußte, daß er euch gefallen müsse, aber die Sonne neigt sich der Wand zu, und wir müssen weiter.«
    »Ja, ja,« fuhr er fort, als man die Sänfte wieder aufgenommen hatte, und die andere Seite des Waldhügels hinabging - »ja, ja, schöne Jungfrauen, der Wald ist auch schön, und mich dünkt manchesmal, als sei er noch schöner, als die schönen Gärten und Felder, welche die Menschen machen, weil er auch ein Garten ist, aber ein Garten eines reichen und großen Herrn, der ihn durch tausend Diener bestellen läßt; in ihm ist gar kein Unkraut, weil der Herr jedes Kräutlein liebet und schätzt - er braucht auch ein jedes für seine vielen tausend Gäste, deren manche lecker sind und ganz Besonderes verlangen. - Sehet, da habe ich draußen - es sind wohl einige Wegestunden von hier - da habe ich auch ein paar Kühe, viele Ziegen, auch Haferund Gerstenfelder - jetzt gehört alles meinem Enkel - der pflegt und hegt es - - aber wenn ich damals, vor zwanzig, dreißig Jahren, von meinem Hauswesen so des Sonntags in den Wald herauf ging in die Länge und Weite immer tiefer, so allerlei sinnend, oft auf das Wild gar nicht einmal Acht habend, so war das ein lieblicherer, anmuthigerer Tag, als die ganze andere Woche, und öfter wollte es mich bedünken, als hätte ich da eine schönere Vesper gefeiert, als die hinaus in die Nachmittagskirche, aber auch in das Schenkhaus gegangen sind; denn seht, ich habe mir immer mehr und mehr ein gutes Gewissen aus dem Walde heimgetragen. Es kann ja auch nicht anders sein; - denn wie ich nachgerade muthiger wurde, und weiter und weiter herein kam, auch mehr Zeit hatte, da mein Sohn Lambrecht das Hauswesen überkam - sehet, da fing ich an, allgemach die Reden des Waldes zu hören, und ich horchte ihnen auch, und der Sinn ward mir aufgethan, seine Anzeichen zu verstehen, und das war lauter Prachtvolles und Geheimnißreiches und Liebevolles von dem großen Gärtner, von dem es mir oft war, als müsse ich ihn jetzt und jetzt irgendwo zwischen den Bäumen wandeln sehen. - - Ihr schaut mich mit den schönen Augen seltsam an, Jungfrau - aber ihr werdet, wenn ihr länger hier bleibt, schon auch etwas lernen; denn eure Augen sind schön und klug. In Allem hier ist Sinn und Empfindung; der Stein selber legt sich um seinen Schwesterstein, und hält ihn fest, Alles schiebt und drängt sich, Alles spricht, Alles erzählt und nur der Mensch erschaudert, wenn ihm einmal ein Wort vernehmlich wird. - Aber er soll nur warten, und da wird er sehen, wie es doch nur lauter liebe gute Worte sind.« - -
    Johanna sah mit unverhohlnem Erstaunen in das Antlitz des alten Waldsohnes, und es
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