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Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich

Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich

Titel: Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich
Autoren: Verschiedene
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Spaß?« fragte er gedehnt.
    Diesmal dauerte es einen Moment, ehe ich antwortete. Es war eine Menge geschehen, seit ich das Erbe meines Vaters angetreten hatte und damit praktisch über Nacht zu einem der wohlhabendsten Bürger Londons geworden war. Ich hatte mich eingelebt und zwar keine wirklichen Freunde gefunden, aber doch eine Menge Bekanntschaften geknüpft und mir einen gewissen Ruf in der Londoner Plüsch-Gesellschaft erworben. Während der letzten vier Monate waren Howard und ich beinahe ununterbrochen zusammen gewesen, aber von den zwei Jahren davor wußte er so gut wie nichts. Und ich war ziemlich sicher, daß ihm eine Menge von diesem nichts nicht gefallen würde.
    »Es ist wirklich nichts als ein harmloser Spaß«, sagte ich lächelnd. »Seancen und spiritistische Sitzungen sind in der letzten Zeit in Mode gekommen, weißt du?«
    »Und du nimmst daran teil?« vergewisserte sich Howard. »Nur so, oder als Medium?«
    »Letzteres«, bekannte ich kleinlaut. »Aber glaube mir, Howard, es ist wirklich –«
    Ich sprach nicht weiter, als ich sah, wie sich seine Züge verfinsterten. Für einen Moment hatte er wirklich Mühe, sich noch zu beherrschen und mich nicht anzufahren; das sah ich. In seinen Augen blitzte es.
    Ich hatte ihn gebeten, mich zu begleiten, weil ich es für eine gute Idee hielt, um ihn abzulenken und endlich wieder auf andere Gedanken zu bringen. Es waren nicht nur die körperlichen Wunden, unter denen er litt, seit wir aus Paris zurück waren. Es hatte mit diesem Mädchen zu tun, das er in de Laurecs Haus zu sehen geglaubt hätte. Ich für meinen Teil wußte noch immer nicht mehr als ihren Namen und die Tatsache, daß sie die Tochter Francoise Gaspards war, und ich hatte es nicht gewagt, Howard nach weiteren Einzelheiten zu fragen.
    Alles, was ich gewollt hatte, als ich ihn mitnahm, war ein wenig harmlose Zerstreuung. Aber ich hatte plötzlich das sichere Gefühl, daß es kein besonders guter Einfall gewesen war.
    Einen Moment lang hielt ich seinem Blick noch stand, dann erhob ich mich mit einer abrupten Bewegung und deutete auf die quirlende Menge im Saal. »Reden wir später darüber«, sagte ich ausweichend. »Die Penderguests erwarten mich.«
    »Oh ja«, sagte Howard böse. »Zu deiner kleinen Zirkusvorstellung.«
    Ich fuhr herum, setzte zu einer geharnischten Antwort an, schluckte sie aber dann im letzten Augenblick herunter und drehte mich demonstrativ weg.
    Mein Blick glitt fast sehnsüchtig die geschwungene Marmortreppe am hinteren Ende des Saales hinauf. Eine der Türen auf der Galerie dort oben führte zu dem kleinen Salon, in dem Sir und Lady Penderguest mich wahrscheinlich schon ungeduldig erwarteten; unsere Seancen fanden keineswegs in aller Offenheit statt, sondern beschränkten sich auf einen kleinen, erlauchten Kreis.
    Aber ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob es wirklich gut war, heute abend dort hinauf zu gehen; und noch viel weniger, ob ich Howard mitnehmen sollte.
    Krampfhaft versuchte ich mir eine Ausrede einfallen zu lassen, die es mir ermöglichen würde, das Bankett zu verlassen, ohne die Penderguests allzusehr vor den Kopf zu stoßen.
    Aber es war zu spät. Lady Audley mußte die Nachricht von meinem Eintreffen bereits weitergegeben haben, denn noch während ich mir krampfhaft den Kopf nach einer plausiblen Ausrede zerbrach, tauchte sie in Begleitung Lady Penderguests wieder aus der Menge auf und steuerte zielsicher auf Howard und mich los.
    Als ich mich diesmal zu Howard umwandte, war der Ausdruck in seinen Augen der pure Zorn. Aber er sagte nichts mehr.

    * * *

    Penwick hatte das fünfte Bier getrunken, ohne daß Rowland zurückgekommen wäre, und obwohl es sich um das dünne englische Ale handelte, spürte er die Wirkung des Alkohols bereits in beträchtlichem Maße; um so mehr, da er an diesem Tage so gut wie nichts gegessen hatte. Und er begann sich Sorgen um Rowland zu machen. Der Anblick der toten Ratte ging ihm nicht aus dem Sinn, und auch nicht diese sonderbar rasche Dämmerung, die sich über den Friedhof gelegt hatte, als Rowland zurückging, um den vergessenen Tabaksbeutel zu holen. Mit einem Stirnrunzeln verscheuchte er den Gedanken, hob die Hand, um ein neues Bier zu bestellen, und sah zum wiederholten Male zum Eingang. Der kleine Pub war überfüllt, und an der Theke drängten sich die Gäste in Zweier-, zum Teil in Dreierreihen, aber das taten sie jeden Abend, denn St. Aimes war mit Zerstreuungen nicht gerade reich gesegnet. Wer nicht gerade
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