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Der Hexer - NR05 - Die Chrono-Vampire

Der Hexer - NR05 - Die Chrono-Vampire

Titel: Der Hexer - NR05 - Die Chrono-Vampire
Autoren: Verschiedene
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wir gemeinsam erlebt haben, ausreicht, um dich von meiner Loyalität zu überzeugen. Aber alles, was ich sehe, ist Mißtrauen.«
    Auf meiner Zunge breitete sich ein unangenehmer Geschmack aus. Ich wußte, daß seine Worte zu einem Gutteil nur aus Zorn geboren waren – es war ganz normal, daß er nun seinerseits zum Angriff überging wie ein Tier, das in die Ecke gedrängt war und keine Möglichkeit mehr sah, zu fliehen.
    Und trotzdem waren sie mehr. Sie enthielten die Wahrheit, die mir bisher selbst verborgen gewesen war. Und die weh tat. Sehr weh.
    »Es... tut mir leid, Howard«, sagte ich.
    Howard lächelte, sehr dünn und sehr bitter. Er wich meinem Blick aus. »Mir auch, Robert«, sagte er leise. »Mir auch.«

    * * *

    Das Haus lag in einem Außenbezirk Londons, in einem Gebiet, in dem sich die Stadt vor Jahrzehnten einmal auszubreiten begonnen hatte, ihr Wachstum dann aber aus Gründen, die heute niemand mehr zu sagen wußte, wieder einstellte. Zwei, drei der Straßen, die das heruntergekommene Viertel durchzogen, endeten im Nichts; Fragmente einer Planung, die niemals zu Ende geführt worden war.
    Ein paar Grundstücke waren abgesteckt, Keller ausgehoben und Fundamente gemauert worden, aber die Häuser waren niemals gebaut worden. Jetzt gähnten dort, wo prächtige Villen und fünfstöckige Mietshäuser hatten entstehen sollen, nur eine Anzahl regelmäßig angeordneter Löcher im Boden; Gruben, die wie bizarre rechteckige Krater wirkten, zum Teil mit Regen- und Grundwasser gefüllt, so daß sie zu kleinen öligen Seen geworden waren, mit Unkraut und Gestrüpp überwuchert.
    Auch das Haus war verfallen. Es war gebaut und für kurze Zeit auch bewohnt gewesen, aber die Menschen, die es bezogen hatten, waren wieder fortgegangen. Wie viele Gebäude in diesem Viertel stand es leer und war Verfall und Alter preisgegeben.
    Und trotzdem beherbergte es Leben. Die Natur, die schon die Baugrundstücke und Gruben zurückerobert hatte, hatte auch hier mit Moos und Flechten und dünnen Wurzelfingern Fuß gefaßt; seine Wände waren vom Schwamm durchzogen, und da und dort hatte ein Busch oder Strauch seine Wurzeln in die Fugen gekrallt und begann das Mauerwerk zu zermürben, langsam, in einem Prozeß, der vielleicht Jahrzehnte dauern würde. Irgendwann würden Eis und Wasser hinzukommen und das spröde gewordene Mauerwerk von innen heraus sprengen.
    Schon jetzt hing über der zugenagelten Tür ein Schild, das jeden Besucher warnte, das Haus zu betreten. Jemand hatte mit roter Farbe Einsturzgefahr! darüber gemalt. Die Farbe war abgeblättert und von Wind und Jahreszeiten heruntergewaschen worden. Aber es betrat auch so nie jemand dieses Haus, denn es gab etwas Unheimliches an ihm, etwas, das nicht in Worte zu fassen, aber deutlich zu spüren war wie ein finsterer Atem. Die Menschen, deren Weg an dem Haus vorbeiführte, machten einen großen Bogen um die Ruine, selbst am Tage.
    Seine leeren Fensterhöhlen, die wie ausgestochene Augen auf die Straße hinabzustarren schienen, flößten ihnen Furcht ein, und der eingesunkene Dachstuhl mit den nackten, halbverwitterten Balken erinnerte sie an das Skelett eines gewaltigen urzeitlichen Ungeheuers, das die Jahrmillionen überdauert hatte, um hier zu sterben.
    Hoch unter diesem eingestürzten Dach, in einem finsteren, von Feuchtigkeit und Moder durchtränkten Winkel des morschen Gebälkes, nisteten die Motten.
    Es waren keine besonderen Tiere. Selbst im Vergleich mit anderen ihrer Art hätten sie nicht gut abgeschnitten: sie waren klein, nicht einmal einen Zentimeter lang, unansehnlich und blaß. Ihre Flügel wirkten immer ein bißchen zerknittert und sahen aus wie mit klebrigem grauen Staub bedeckt.
    Das einzig Sonderbare an ihnen war vielleicht ihre Art zu leben. Anders als es Motten normalerweise tun, nisteten sie in einem großen, wie ein Bienenkorb an einem abgebrochenen Balken hängenden Klumpen, einem Ball aus winzigen Fasern, aus Abfall und Moder und zerkauten Pflanzenteilchen. Das Innere dieses Balles wurde von einem Labyrinth tausender feiner Gänge und Kavernen durchzogen, Kriechgänge, in denen sich die blinden grauen Larven der Motten fortbewegten und fraßen, bis sie groß genug waren, sich zu verpuppen und kurz darauf selbst als unansehnliche verkrüppelte Schmetterlingswesen ans Tageslicht zu kriechen.
    Sie waren harmlos, diese Stiefkinder der Natur. Häßliche kleine Ungeheuer, die niemandem Schaden zufügen konnten und erschlagen wurden, wo man sie sah. Eine Laune
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