Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR02 - Der Seelenfresser

Der Hexer - NR02 - Der Seelenfresser

Titel: Der Hexer - NR02 - Der Seelenfresser
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
verfallenes Gebäude zur Linken.
    Eine Zeitlang starrte ich das dreigeschossige graue Haus an, blickte verwirrt nach rechts und links und nickte schließlich; wenn auch weniger aus wirklicher Überzeugung, als vielmehr in Ermangelung eines anderen Hauses, auf das ich statt dessen hätte deuten können.
    Das Gebäude lag an der Stelle, an der es sein mußte, und nach allem, was mir mein logischer Verstand sagte, mußte es das richtige sein.
    Verwirrend war nur, daß es ganz und gar nicht so aussah, wie ich es in Erinnerung hatte...
    »Dann komm«, sagte Howard. Er lächelte, aber seine Stimme klang unsicher. Er war nervös. Dabei hätte wohl eher ich von uns beiden mehr Grund gehabt, nervös und unruhig zu sein.
    »Wird schon gut gehn, Jungchen«, brummelte Rowlf vom Kutschbock herunter. Ich sah flüchtig auf und gewahrte ein gutmütiges Lächeln auf seinem von der Kälte geröteten Bullenbeißergesicht. Howard hatte darauf bestanden, daß Rowlf hier draußen zurückblieb, ohne einen konkreten Grund dafür anzugeben.
    Ich wußte ihn trotzdem. Rowlf war unsere Rückendeckung, und – wenn es zum Schlimmsten kam – unsere einzige Möglichkeit zur Flucht. Es war schon beruhigend, einen Zwei-Meter-Mann wie Rowlf, noch dazu bewaffnet, in seinem Rücken zu wissen. Solange er hier draußen war, konnten wir wenigstens sicher sein, nicht hinterrücks überfallen zu werden.
    Nebeneinander gingen wir über die menschenleere Straße auf das verlassene Haus zu. Der Wind trug schwere, niedrig hängende Regenwolken mit sich, und gerade, als wir das unkrautüberwucherte Grundstück betraten, verfinsterte sich die Sonne. Es kam mir vor wie ein düsteres Omen.
    Ich schauderte. Alles in mir sträubte sich gegen den Gedanken, noch einmal in dieses furchtbare Haus zu gehen, in dem ich schon einmal mit knapper Not dem Tode entronnen war.
    Arkham lag wie eine Geisterstadt vor uns; selbst die wenigen Lichter, die ich bei unserer Ankunft bemerkt hatte, waren mittlerweile erloschen, und mit Ausnahme unserer Schritte und dem leisen, monotonen Heulen des Windes war nicht der geringste Laut zu vernehmen. Es war das gleiche unheimliche Schweigen, mit dem mich die Stadt bei meiner ersten Ankunft empfangen hatte.
    Und es hatte nichts von seiner Drohung verloren.
    Ich versuchte den Gedanken zu verscheuchen, warf Howard ein schon fast übertrieben zuversichtliches Lächeln zu und trat mit einem entschlossenen Schritt durch die Tür. Das gesprungene Glas des Flügels löste sich unter meinen Fingern endgültig aus dem Rahmen und zerbarst; das Geräusch hörte sich in der Stille überlaut und unheimlich an.
    Dämmerung umfing uns wie ein graues Leichentuch, als wir in die Halle traten. Unter unseren Schritten wirbelte grauer, seit Jahren nicht mehr berührter Staub auf, und ein Schwall muffig riechender Luft schlug uns entgegen.
    Ich spürte plötzlich eine unheimliche Präsenz, aber als ich mich darauf konzentrieren wollte, entglitt sie meinen Gedanken und war verschwunden.
    Die Eingangshalle des Hotels bot einen gespenstischen Anblick. Überall lagen Staub und Schmutz, trockene Blätter und Papier, die durch die zerborstenen Scheiben hereingeweht worden waren; ein Teil der Decke war eingebrochen. Die Theke, hinter der mich der Alte begrüßt hatte, stand schräg wie ein gestrandetes Schiff auf den eingesunkenen Bodenbrettern. Die Tapeten waren verblichen und rollten sich auf, wo sie nicht bereits heruntergerissen oder schlichtweg weggefault waren. Das Haus mußte seit mindestens einem Jahrzehnt dem Verfall anheim gegeben sein.
    Und trotzdem war es das gleiche Haus, in dem ich mich vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden über einen unfreundlichen Hotelportier geärgert und ein Zimmer bezogen hatte...
    »Dort hinauf?« Howard deutete mit einer Kopfbewegung auf die Treppe, die nach oben führte.
    Ich nickte, fuhr mir nervös mit der Zungenspitze über die Lippen und folgte ihm, als er die morschen Stufen emporzusteigen begann.
    Die gesamte Treppe ächzte und bebte unter unserem Gewicht. Staub rieselte aus den Fugen der morschen Stufen, und als ich leichtsinnig genug war, die Hand auf das Geländer zu legen, neigte sich die ganze Konstruktion mit einem drohenden Ächzen zur Seite, so daß ich hastig zurücksprang.
    Howard machte eine Geste, vorsichtiger zu sein, und ging weiter.
    Wir erreichten die erste Etage, blieben einen Moment stehen und gingen langsam weiter. Irgendwo über uns knackte und vibrierte das Haus wie ein gewaltiges lebendes Wesen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher