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Der Hexenmeister

Der Hexenmeister

Titel: Der Hexenmeister
Autoren: James Blish
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Ephemeriden des US Naval Observatory entnehmen) oder sonst irgend etwas für die Erstellung eines absoluten Horoskopes benötigen, so würde er das zwölfzollige Teleskop am Dach des Klosters und den Bildaufrichter verwenden. Sollte er außer den Zahlenangaben auch noch das Abbild der Sterne benötigen, so würde er diese mittels Fernsehen direkt in seine Zelle geliefert bekommen. Im Augenblick aber hatte Pater Domenico kein Ereignis zur Verfügung, von oder zu dem er ein Horoskop erstellen konnte — nur einen alles einhüllenden, unermeßlichen Nebel aufsteigenden Unheils.
    Hinter Pater Domenicos Rücken — das wußte er, ohne sich umzudrehen — lagen zu dieser Stunde leuchtend bunte Lichtflecken und Ellipsen auf seinem Computer. Die Sonne schien durch die Glasmalerei seines hohen Fensters, und die Lichtpunkte schienen die farbigen Warn- und Kontrolleuchten des Instruments zu verspotten. Er war für das Elektronenhirn verantwortlich, das die anderen Brüder mit einer Ehrfurcht betrachteten, die — wie er bei sich dachte — schon gefährlich nahe an Aberglauben grenzte. Er selbst wußte nur zu gut, daß der Computer ein Idiot war, ein gelehrter Idiot, der unfaßbar schnell addieren konnte. Aber er besaß auch keine Daten, die er der Maschine hätte eingeben können.
    Sollte er eine der Mächte anrufen und um Hilfe bitten? Nein, noch nicht. Vielleicht war der Anlaß durchaus trivial, oder er mußte zumindest in den Sphären, in denen jene Mächte sich bewegten und die sie bewegten, trivial erscheinen. Pater Domenico bezweifelte sehr, daß der Anlaß trivial war, aber er war früher schon manchmal zurechtgewiesen worden, weil er jene Beweger und Regenten gestört hatte. Das führte leicht zu einem Übelwollen, das sich kein vernünftiger Weißer Magier leisten konnte, gleichgültig, mit welcher Verachtung er dem unselektiven Haß von Dämonen gegenüberstehen mochte.
    Nein, im Augenblick gab es keine andere Lösung, als Pater Ucello zu schreiben. Er würde die Nachricht zumindest mit Interesse und Anteilnahme aufnehmen. Er war ein ›Sensitiver‹. Auch er würde sicherlich wissen, daß ein Unheil im Gange war; ja, er würde zweifellos noch mehr wissen: Er würde im Besitz von Unterlagen sein. Pater Domenico erkannte auf einmal, daß sein Unbewußtes sich beinahe von Anfang an gegen diese Entscheidung gewehrt hatte. Nun, da er den Tatsachen in die Augen sah, wußte er auch, warum: Von allen Möglichkeiten nämlich würde diese die zeitraubendste sein. Doch anscheinend war sie nicht zu umgehen.
    Resigniert holte er seinen Kugelschreiber und ein Blatt Papier hervor und begann. Die wenigen Fakten, über die er verfügte, waren rasch zu Papier gebracht, aber ein gewisses Zeremoniell mußte eingehalten werden: Grüße in Christo, Erkundigungen über den Gesundheitszustand, Gebete und so weiter, und natürlich auch die letzten Neuigkeiten. Sensitive waren immer einsam wie alte Frauen und ebenso interessiert an allem Klatsch über Sünde, Krankheit und Tod. Man mußte sie versöhnlich stimmen. Sie zu erbauen — oder sie gar zu heilen — war unmöglich.
    Während er noch immer schrieb, öffnete sich die Tür und ein Akolyt trat ein, ein junger Mann, den Pater Domenico ›Joannes‹ nannte. Nachdenklich blickte ihn Pater Domenico an.
    »Ich bin noch nicht fertig.«
    »Wie bitte?«
    »Verzeih ... ich dachte gerade an etwas anderes. Gleich werde ich einen Brief fertig haben. Ich’ bitte dich, ihn ins Tal hinabzusenden. Doch was wolltest du?«
    »Ich selber wollte nichts«, sagte Joannes, »aber der Direktor läßt gleich nach dem Abendgebet um Ihre Anwesenheit in seinem Büro bitten. Eine Besprechung mit einem Kunden.«
    »Gut. Danke. Was für ein Kunde?«
    »Ich weiß nicht, Vater. Ein neuer. Man bringt ihn eben den Berg hinauf. Ich habe gehört, es soll ein reicher Amerikaner sein, aber davon gibt es eine ganze Menge, nicht wahr?«
    »Etwas scheinst du zu wissen«, sagte Pater Domenico trocken, aber mit seinen Gedanken war er schon ganz woanders. Der üble Hauch des Unheils war plötzlich viel stärker geworden. Es war erstaunlich, daß es nicht auch der Junge riechen konnte. Er legte den Brief beiseite. Heute abend würde er wohl noch einige Einzelheiten hinzufügen müssen — vielleicht sogar konkrete Angaben. »Melde bitte dem Direktor, daß ich pünktlich zur Stelle sein werde.«
    »Erst muß ich noch gehen und Pater Amparo verständigen«, sagte Joannes. »Auch er soll dabeisein.«
    Pater Domenico nickte. Schon an
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