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Der Heiler

Der Heiler

Titel: Der Heiler
Autoren: Antti Tuomainen
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worden.
    Ich öffnete die Hintertür geräuschlos. Das kleine Kaminzimmer war gemütlich und üppig, aber geschmackvoll eingerichtet. Ich durchquerte es und gelangte ins Wohnzimmer, das nach vorn, zur Straße hin, in Essplatz und Küche überging. Von draußen fiel der Schein der Straßen­lampe herein. Lange Schatten malten dunkle Verstecke auf Fußboden und Wände, und ich blieb stehen, um zu horchen. Das einzige Geräusch weit und breit verur­sachte mein Herz, seine Schläge hallten von den mit Fotos bedeckten Wänden wider. Ich ging zu der Treppe, die nach oben in das dämmerige Licht führte, das ich schon von der Straße aus gesehen hatte.
    Ich erklomm Stufe für Stufe, sah eine Nachttischlampe, die den Raum matt erhellte, und hörte rechts vor mir eine gequälte und erstickte Stimme:
    Â»Wer ist da?«
    Ich erkannte Gromows Stimme, obwohl sie so rau und gehetzt klang, als wäre er außer Atem. Als ich ins Zimmer trat, erschraken wir beide. Ich schreckte zurück, Gromow rührte sich nicht. Er lag im Bett, vollständig bekleidet, Arme und Beine ausgestreckt, und sein Körper war nass von Blut. Das Bett um ihn herum war wie ein Pool, in dem er schwamm. Im Raum roch es nach Exkrementen und etwas, das an rohes Fleisch erinnerte.
    Â»Ich spüre meinen Körper nicht«, sagte er mühsam.
    Ich sah auf den in seinem Blut schwimmenden Gromow, dabei rief ich mir ins Gedächtnis, warum ich gekommen war. »Wo ist Johanna?«
    Â»Ich spüre meinen Körper nicht«, wiederholte er, so als hätte er meine Frage überhaupt nicht gehört.
    Â»Wassili, hör mir zu. Bist du allein hier? Ist Johanna hier gewesen?«
    Gromow stieß einen rasselnden Laut aus, der in einem Husten endete und ihn beinah erstickte.
    Â»Wassili«, sagte ich. »Du musst mir helfen. Ich suche Johanna, und ich weiß, an welcher Story sie arbeitete. Ich weiß Bescheid über den Heiler und über Pasi Tarkiainen.«
    Ich trat ein paar Schritte näher bis zur Höhe seiner Taille. Mitten auf seiner Brust sah ich eine Vertiefung, die dunkler als Blut war. Gromows Gesicht war überraschend ruhig, angesichts dessen, dass seine Brust ihr eigenes zuckendes und vibrierendes Leben führte. Er schien gelähmt zu sein. Vielleicht hatte sich die Kugel, die seinen Brustkorb aufgerissen hatte, ins Rückgrat gebohrt.
    Â»Ich weiß alles«, fuhr ich fort. »Ich habe hier die E-Mail, die du an Johanna geschickt hast.«
    Ich wollte mein Handy aus der Tasche holen, um ihm den Text zu zeigen, doch da fing er an zu sprechen.
    Â»Es gibt noch mehr. Mehr als Tarkiainen.«
    Ich ließ das Handy wieder zurückgleiten. Gromows Augen blickten jetzt suchend. Er sagte etwas, das ich nicht verstand, und so beugte ich mich über ihn. Nach einem Weilchen verstand ich. Liebe.
    Â»Ich habe es aus Liebe getan«, sagte er.
    Â»Was?«, fragte ich. »Was hast du aus Liebe getan?«
    Er bekam nicht richtig Luft und musste seine wenigen Worte sorgfältig wählen. »Johanna. Ich wollte sie überzeugen, dass ich sie immer noch liebe. Tarkiainen hat versprochen, mir dabei zu helfen.«
    Â»Wie kann dir Tarkiainen dabei helfen?« Meine Fragen hallten ungeduldig und schnell durch den Raum, als kämen sie gar nicht von mir.
    Â»Johanna wollte mir nicht zuhören. Ich habe mir so sehr eine zweite Chance gewünscht.«
    Â»Eine Chance, um was zu machen?«, fragte ich.
    Â»Ich wollte Johanna begreiflich machen, dass ich sie liebe.«
    Klar. Und um ihr zu beweisen, dass du sie liebst, täuschst du deine langjährige Kollegin und treibst sie Mördern in die Hände.
    Â»Tarkiainen hat versprochen«, fuhr Gromow rasselnd fort, »dass er Johanna dazu bringen kann, mir zuzu­hören. Und er wollte sie unbedingt selbst treffen, denn er hatte Informationen über den Heiler, die er ihr nur persönlich erzählen wollte.« Gromow flüsterte stoßweise.
    Â»Tarkiainen wusste so viel«, fuhr Gromow plötzlich mit Eile fort. »Von Johanna, von mir, von allem. Ich habe ein Treffen zwischen Johanna und Tarkiainen arrangiert und ihr gesagt, dass ich einen Wink bekommen hätte. Tarkiainen sollte zunächst mit ihr reden und sie dann hierher zu mir bringen.«
    Er hörte abrupt auf und versuchte zu atmen. Seine Lunge schien weder Luft aufzunehmen noch freizusetzen. Er stieß ein paar weitere Worte aus: »Aber dann kam
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