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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz
Autoren: Adalbert Stifter
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dich beneiden. Daß du jetzt fort mußt, ist nichts, und liegt in der Natur begründet; denn alle die Männer müssen von der Mutter, und müssen wirken. Du hast daher lauter Gutes erfahren. Du sollst deßhalb zu Gott dein Gebet verrichten, daß er dir alles gegeben hat, und du sollst demüthig sein, daß du die Gaben hast, es zu verdienen. - - Siehst du, Victor, alles das zusammengefaßt, würde ich über deine Rede böse sein, wenn ich deine Mutter wäre, weil du Gott den Herrn nicht erkennst: aber weil ich deine Mutter nicht bin, so weiß ich nicht, ob ich dir so viel Liebes und Gutes gethan habe, daß ich mich sonst auch erzürnen darf, und zu dir sagen: Kind, das ist nicht recht von dir, und es ist ganz und gar nicht gut.«
    »Mutter, ich habe es auch in dem Sinne nicht gemeint, wie ihr es nehmt,« sagte Victor.
    »Ich weiß, mein Kind, und betrübe dich auch nicht zu sehr über meine Rede,« erwiederte die Mutter. »Ich muß dir nun auch sagen, Victor, daß du jezt gar nicht so arm bist, als du vielleicht denken magst. Ich habe dir oft gesagt, wie ich erschroken bin - das heißt, aus Freude bin ich erschroken - als ich erfahren habe, dein Vater hätte in sein Testament gesezt, daß du bei mir erzogen werden sollest. Er hat mich schon recht gut gekannt und hat das Vertrauen zu mir gehabt. Ich glaube, es wird nicht getäuscht worden sein. Victor, mein liebes, mein theures Kind, ich werde dir jezt sagen, was du hast. Du hast an Linnen - das ist der auserlesenste Theil unserer Kleider, weil er am nächsten an dem Körper ist, und ihn schüzt und gesund erhält - so viel, daß du täglich wechseln kannst, wie du es bei mir gelernt hast. Wir haben alles ausgebessert, daß kein Faden davon schadhaft ist. Für die Zukunft wirst du immer noch erhalten, was du brauchst. Hanna bleicht draußen Stüke, wovon die Hälfte schon für dich gerechnet ist - und Striken, Nähen, Ausbessern werden wir besorgen. Im andern Gewande bist du anständig; du kannst dich dreimal anders anziehen, das nicht gerechnet, was du eben am Leibe hast. Es ist jezt alles feiner hergerichtet worden, als du es bisher gehabt hast; denn ein Mann, Victor, der sein erstes Amt antritt, ist wie ein Bräutigam, der ausgestattet wird - und er soll auch im Stande der Gnade sein, wie ein Bräutigam. Das Geld, welches sie mir alle Jahre für deinen Unterhalt geben mußten, habe ich angelegt, und habe immer die Zinsen wieder dazu gethan. Das hast du nun alles. Der Vormund weiß es nicht und braucht es auch nicht zu wissen; denn du mußt ja auch etwas für dich haben, daß du es ausgeben kannst, wenn sich andere sehen lassen, damit dir das Herz nicht zu wehe thut. Wenn dir dein Oheim das kleine Gütchen entreißt, welches noch da ist, so betrübe dich nicht, Victor; denn es sind so viele Schulden darauf, daß kaum mehr ein einziger Dachziegel dazu gehört. Ich bin in dem Amte gewesen, und habe mir es für dich aufschlagen lassen, damit ich es weiß. Manches Mal einen Nothpfennig bekommst du schon von mir auch noch. So ist alles gut. - Zu deinem Oheime mußt du nun schon die Reise machen, ehe du in das Amt eintrittst, weil er es so wünscht. Wer weiß, wozu es gut ist - du verstehst das noch nicht. Der Vormund erkennt auch die Nothwendigkeit, daß du dich dem Wunsche einer Fußwanderung zu dem Oheime fügest. Hast du gestern Rosina gesehen?«
    »Nein, Mutter; wir sind spät Abends zurück gekommen, haben in dem Zimmer Ferdinands gespeiset, und heute bin ich mit Tagesanbruch fort gegangen, weil so viel zu thun ist. Der Vormund hat gesagt, daß ich meine Fußreise über die Stadt antreten und bei dieser Gelegenheit von ihnen allen Abschied nehmen soll.«
    »Siehst du, Victor, Rosina könntest du einmal zu deiner Frau bekommen, wenn du in deinem Berufe recht thätig bist. Sie ist sehr schön, und denke, wie ihr Vater mächtig ist. Er hat die lästige Vormundschaft über dich sehr redlich und fleißig verwaltet, und ist dir nicht abgeneigt; denn er hatte immer viele Freude, wenn du deine Prüfungen gut gemacht hattest. Aber lassen wir das, zu dieser Heirath ist es noch weit hin. - - Dein Vater könnte jezt auch so hoch sein, oder noch höher; denn er hat einen gewaltigen Geist gehabt, den sie nur nicht kannten. Deine eigene leibliche Mutter hat ihn nicht einmal gekannt. Und gut ist er gewesen, so sehr gut, daß ich jezt noch manchmal daran denke, wie er gar so gut gewesen ist. Deine Mutter ist auch recht lieb und fromm gewesen, nur ist sie viel zu frühe für dich
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