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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
Autoren: Gottfried Keller
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wieder auf und trug ihr Körbchen nach dem hübschen Schränkchen, das sie im Familienzimmer ebenfalls unter ihrem Verschluß hatte.
    Heinrich hatte unterdessen endlich ausgetobt, die Schluchzerei, deren er sich schämte, und der Scherz hatten ihn erleichtert und ruhiger gemacht, und er nahm sich nun zum allerletzten Mal bestimmt vor, Dortchen gut zu sein, ohne an etwas Weiteres zu denken noch sich zu bekümmern, und seine Gedanken nach anderen Dingen und nach seiner Zukunft zu richten. Desnahen war er ziemlich zufrieden am Abendtisch, und weil er, als der Abreisende, der Gegenstand des Gespräches war, seine Zukunft mit Wohlwollen besprochen wurde und außerdem der Graf, als sich von selbst verstehend, erklärte, abermals mit ihm zu reisen nach der Hauptstadt, da Heinrich das nicht gehofft hatte, so befand er sich zuletzt so glücklich und lustig wie je und lachte Dortchen freundschaftlich an, als sie endlich mit ihrem Körbchen zu ihm trat.
    »Heut bekommen Sie zum letzten Mal ein Bonbon von mir!« sagte sie, »suchen Sie sich ein recht gutes aus!«
    Heinrich suchte unbefangen einige Sekunden lang und nahm doch das erste beste, was ihm in die Hände kam, da er es vorzog, die Spenderin inzwischen anzusehen, da dies auch ein letztes Bonbon war. Als er das Ergriffene aufmachte und den Zettel las, errötete er und vermochte nicht denselben laut zu lesen, denn es stand darauf:
    Hoffnung hintergehet zwar,
    Aber nur, was wankelmütig;
    Hoffnung zeigt sich immerdar Treugesinnten Herzen gütig;  Hoffnung senket ihren Grund
    In das Herz, nicht in den Mund!

    Der Pfarrer nahm das Papier und las das Gedicht. »Allerliebst!« rief er, »sehr hübsch! Sie haben eine allerliebste Devise zum Abschied bekommen. Lassen Sie sehen, Fräulein Dortchen! was ich zum Dableiben erhalten werde!« Er griff begierig nach dem Körbchen, denn es juckte ihn auf der Zunge, etwas Süßes darauf zu legen. Dortchen zog aber das Körbchen weg und sagte: »Nächsten Sonntag bekommen Sie was zum Dableiben, Herr Pfarrer! Heute bekommt nur der, welcher geht!« Heinrich sah sie verwirrt und zweifelhaft an, die aufregenden Verse im Herzen; aber mit der unergründlichen Halbheit der Weiber stand sie da und verzog keine Miene. Rasch verschloß sie den Korb wieder in den Schrank, und der arme Heinrich hatte keine Vermutung, daß in allen dreißig Bonbons die gleichen Worte standen.

Vierzehntes Kapitel
    Der Wagen stand in aller Frühe bepackt und bereit; Dortchen begleitete die Abreisenden bis an denselben, umgeben von den übrigen Leuten, so wie auch Apollönchen und der alte Gärtner herbeikamen. Heinrich gab den zutraulichen Dienstleuten allen die Hand und zuletzt auch der Dorothea, welche ihm freundlich die ihrige gab und nun sagte »Adieu, Herr Lee!« Von Wiedersehen oder dergleichen sagte sie gar nichts; ebensowenig als Heinrich, und so fuhren der Graf und er rasch von dannen.
    Die Bilder kamen in zwei Tagen nach und waren bald zur öffentlichen Ausstellung hergerichtet. Der Graf beschäftigte sich so munter mit der Sache, als ob er selbst der Künstler wäre, und hatte die größte Freude daran, überall dabeizusein und seinen Schützling zu bevormunden. Wie er es gewünscht, so kam es auch, als die Bilder endlich in dem Saale hingen, wo die Künstler und die wohlhabenden Liebhaber ab-und zugingen. Sie sprangen ziemlich anspruchsvoll in die Augen, hielten aber die erregte Aufmerksamkeit tapfer aus; alte Bekannte wunderten sich über das plötzliche Auftauchen des verschollenen Heinrich und drückten ihm mit Achtung und aufrichtigen Glückwünschen die Hand; der Graf unterließ nicht, vornehm aussehende Herren und Damen vor die Bilder zu führen, so daß sich der Beifall herumsprach und immer ein Trüppchen elegantes Publikum davorstand, kurz, Heinrich konnte nun doch noch mit Ehren und mit leichtem Sinne von dem Handwerk scheiden, und dieser Abschied erhielt dadurch einen vollern und schwerern Gehalt. Als Heinrich endlich bei den Aufsehern der Säle den Preis der Bilder angeben wollte, drängte sich der Graf dazwischen und schrieb den betreffenden Zettel selbst auf. Aber er schrieb eine so ausgiebige Summe hin, daß Heinrich laut auflachte und rief »Da werden wir lange warten können, bis wir die Fahnen an den Mann bringen!« – »Das werden wir schon sehen«, erwiderte der Graf, »nur nicht blöde, mein Freund!« Und in der Tat wurden die Bilder in einigen Tagen gekauft, aber vom Grafen selbst, ohne daß Heinrich es wußte; denn er ließ den Kauf
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