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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz
Autoren: Anaconda
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Sie bat aber so schön, dass er fortfuhr: »Dies alles würde ihm doch noch nichts helfen; denn der Zwerg würde nicht mit ihm gehen wollen, es sei denn, dass er eine von meinen Schwanzfedern hätte und ihm damit ins Gesicht schlüge: Dann würde der Zwerg plötzlich zu einem großen Riesen werden und freundlich mit ihm gehen, wohin er wolle. Derselbe müsste dann das verwünschte Schloss emporheben und umdrehen und der Geliebte der Prinzessin sie mit der Feder berühren: worauf alles wieder wie vorher leben und der Zauber gelöst sein würde. Aber das wird nimmer geschehen; denn wer wollte mir wohl eine Feder ausziehen? Und nun lass mich schlafen.«
    Die Frau war still, wie sie ihn aber wieder schlafen hörte, riss sie ihm abermals eine Feder aus. Der Popanz fuhr noch heftiger auf als das erste Mal. »Ach Mann, ich bitte dich um Verzeihung, ich habe soeben wieder einen ängstlichen Traum gehabt; mir träumte, wie eine schöne Prinzessin eines fernen Königreichs schon seit vielen tausend Jahren in einem Zauberschlafe versenkt läge und in dem ganzen Palast keine lebendige Seele mehr wäre, da alles schon ausgestorben.« – »Du hast recht, Frau«, erwiderte der Popanz, »es gibt ein solches Schloss, wo eine versteinerte Prinzessin schläft und alles ausgestorben ist, bis auf ein kleines Hündlein, das immer vor dem Fenster liegt und ihn bewacht, weil, solange er dies tut, nichts Lebendiges hinein kann; denn sobald sich was nähert, verwandelt es sich in ein fürchterliches Ungeheuer, das alles zerreißt. Es gibt aber eine Stunde des Tages, wo es das Fenster verlässt und zu der Prinzessin geht und sich bei ihr schlafen legt. Diese Stunde ist von ein bis zwei Uhr, und wenn sich alsdann jemand hineinschleichen könnte und sich dem Hündlein näherte, ohne dass es erwache, und ihm vor den Kopf schösse, aber gerade in die Mitte des weißen Sterns daselbst und so, dass sein Blut die Prinzessin benetzte, so würde sie aus dem Zauberschlafe erwachen; träfe er aber nicht also, so wäre sein Tod gewiss. Nun rat ich dir Frau, wecke mich nicht zum dritten Male mit deinen beschwerlichen Träumen.« Damit drehte er sich um und fing bald wieder an zu schnarchen.
    Sobald aber die Frau dies hörte, zog sie ihm zum dritten Mal eine Feder aus. Jetzt ward der Popanz ganz wütend und wollte sie zum Bette hinauswerfen. Er schrie: »Weib, du musst besessen sein, mich schon wieder so zu rupfen, ich glaube, dass ich blute.« Sie versicherte ihm aber, sie habe sich bloß an ihm festgehalten aus Furcht vor einem Traum, der sie befallen. »Nun, was hast du denn schon wieder geträumt?«, fragte er. »Ich träumte, dass ein Königssohn in seinem Garten einen schönen Weinstock hätte, der sonst so schöne Trauben getragen, plötzlich aber unfruchtbar geworden und verdorrt, und so wie er verdorrt, so vergeht auch der Prinz: Sage mir lieber Mann, ist das wohl wahr?« – »Allerdings, verwünschte Träumerin.« – »Nun sage mir das, lieber Mann, was man wohl tun müsste, um den Weinstock wieder grünen und den Prinzen gesund zu machen?« – »Man muss in das Hühnerhaus, welches dort auf dem Hof ist, und wird da einen schönen bunten Hahn finden, der nicht zu den Hühnern gehört, den muss man nehmen; doch was sage ich für dummes Zeug? Man muss auch dazu wieder eine von meinen Federn haben.« – »I nu, lieber Mann, erzähle nur aus.« – »Man nimmt den Hahn und trägt ihn zwischen zwölf und ein Uhr zu dem Weinstock: Hier steckt man ihm meine Feder in seinen Schnabel und sogleich wird er anfangen zu graben und so lange fortfahren, bis drei Kröten herauskriechen. Diese Kröten soll man nehmen und sogleich verbrennen und die Asche davon auf die Wurzeln der Rebe streuen und sie mit Erde bedecken und noch den Prinzen mit meiner Feder berühren. Alsbald wird er wieder blühen und der Prinz genesen. – Nun aber sage ich dir, wecke mich nicht wieder auf zum vierten Male.«
    Kaum war er eingeschlafen, so reichte die Frau die drei Federn dem Pastetenbäcker, der unter dem Bette lag, mit diesen Worten: »Verwahre sie; du hast gehört, was mit ihnen zu tun ist: Und ich weiß nicht, wie ich die anderen kriegen werde.« Damit drehte sie sich zu ihrem Mann und riss ihm die vierte aus. Der sprang aus dem Bett vor Wut und Schmerz und gab seiner Frau
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