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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass
Autoren: Philip Pullman
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Sprüngen setzte er durch den Schnee und wirbelte ihn hoch auf. Was jetzt hinter ihnen geschah, ging sie nichts mehr an. Lyra hatte es zurückgelassen. Sie hatte das Gefühl, die Welt überhaupt zu verlassen, so konzentriert auf ihre Aufgabe und entfernt von allem anderen war sie, so hoch stiegen sie hinauf und so seltsam und gespenstisch war das Licht, das sie umfloß.
    »Iorek«, sagte sie, »wirst du Lee Scoresby finden?«
    »Lebend oder tot, ich finde ihn.«
    »Und wenn du Serafina Pekkala siehst…«
    »Ich sage ihr, was du getan hast.«
    »Danke, Iorek.«
    Ein Zeitlang sprachen sie nicht mehr. Lyra verfiel in eine Art Trance zwischen Schlafen und Wachen, in einen Wachtraum, in dem ihr war, als trügen die Bären sie zu einer Stadt in den Sternen.
    Gerade wollte sie Iorek Byrnison den Traum erzählen, als er seinen Schritt verlangsamte und stehenblieb.
    »Die Spuren gehen weiter«, sagte er, »aber ich kann ihnen nicht folgen.«
    Lyra stieg ab und trat neben ihn. Iorek stand am Rand eines Abgrunds. Es war schwer zu sagen, ob es sich um eine Spalte im Eis oder im Felsen handelte, und im Grunde war es auch egal. Entscheidend war, daß die Spalte ins bodenlose Dunkel abstürzte.
    Die Spuren von Lord Asriels Schlitten führten bis an den Rand… und hinüber, über eine Brücke aus zusammengebackenem Schnee.
    Der schwere Schlitten hatte der Brücke allerdings deutlich zugesetzt. Sie hatte am anderen Ende der Kluft einen Riß, und auf der ihnen zugewandten Seite des Risses hatte sie sich einen halben Meter gesenkt. Das Gewicht eines Kindes mochte sie noch tragen, das Gewicht eines Panzerbären sicher nicht mehr.
    Lord Asriels Spuren führten jenseits der Brücke hangaufwärts. Wenn Lyra weiter wollte, mußte sie allein gehen.
    Sie sah Iorek Byrnison an.
    »Ich muß hinüber«, sagte sie. »Danke für alles, was du getan hast. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich ihn einhole. Vielleicht müssen wir ja sowieso alle sterben, ob ich ihn nun einhole oder nicht. Aber wenn ich zurückkomme, dann bedanke ich mich noch richtig bei dir, König Iorek Byrnison.«
    Sie legte ihm die Hand auf den Kopf, und er ließ es geschehen und nickte sanft.
    »Leb wohl, Lyra Listenreich«, sagte er.
    Ihr Herz pochte schmerzhaft vor Liebe, als sie sich umdrehte und den Fuß auf die Brücke setzte. Der Schnee knackte unter ihr, und Pantalaimon flog hinüber und ließ sich am anderen Ende der Brücke im Schnee nieder, um ihr von dort aus Mut zu machen. Lyra setzte einen Fuß vor den anderen und überlegte bei jedem Schritt, ob sie losrennen und hinüberspringen sollte oder ob sie besser langsam ging und so leicht wie möglich auftrat, wie sie es jetzt tat. Auf halbem Weg hinüber knackte es erneut laut. Hinter ihrem Fuß löste sich ein Stück und verschwand lautlos im Abgrund, und die Brücke sackte wieder einige Zentimeter ab.
    Lyra erstarrte. Pantalaimon saß in Gestalt eines Leoparden geduckt am andere Ende, bereit hinunterzuspringen, um sie aufzuhalten.
    Die Brücke hielt. Lyra machte einen Schritt, dann noch einen, und dann spürte sie, wie unter ihren Füßen etwas nachgab, und sprang mit aller Kraft ans andere Ende. Sie landete in dem Augenblick bäuchlings im Schnee, in dem hinter ihr die gesamte Brücke mit einem leisen Sausen in die Spalte stürzte.
    Pantalaimon hatte seine Krallen in ihren Pelz geschlagen und hielt sie fest.
    Eine Minute später machte sie die Augen auf und entfernte sich kriechend vom Rand der Spalte. Zurück konnte sie nicht mehr. Sie stand auf und grüßte den Bären, der sie beobachtete, mit erhobener Hand. Iorek Byrnison richtete sich auf die Hinterbeine auf und grüßte ebenfalls, dann wandte er sich um und eilte hangabwärts, um seinen Untertanen im Kampf gegen Mrs. Coulter und die Soldaten aus dem Zeppelin beizustehen.
    Lyra war allein.

Die Brücke zu den Sternen
     
     
    Sobald Iorek Byrnison außer Sicht war, überkam Lyra eine ungeheure Erschöpfung. Blind drehte sie sich um und tastete nach Pantalaimon.
    »Ach Pan, lieber Pan, ich kann nicht mehr! Ich habe solche Angst… und ich bin so müde… der lange Weg und jetzt diese Todesangst! Ich wünschte, jemand anders wäre an meiner Stelle, wirklich!«
    Ihr Dæmon kuschelte sich in Gestalt einer Katze warm und tröstlich an ihren Hals.
    »Ich weiß einfach nicht mehr, was wir tun sollen«, schluchzte Lyra. »Es ist zuviel für uns, Pan, wir können doch nicht…«
    Sie klammerte sich an ihn und wiegte sich langsam vor und zurück, ihr heftiges
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