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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator
Autoren: Philipp Vandenberg
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und rief: »Rebecca!«
    Im nächsten Augenblick stand ein zierliches, schwarzgelocktes Mädchen in der Tür. Sie mochte etwa so alt sein wie Vitellius. Ihre Augen waren niedergeschlagen. Sie zeigte keine Tränen, aber man sah, daß sie geweint hatte. Vitellius schluckte.
    »Rebecca«, begann er vorsichtig, »du hast schon vom Tod deines Vaters in der Arena gehört. Fortuna fügte es, daß ich gestern, am Vorabend der Floralien, das Vertrauen deines Vaters gewann, obwohl wir uns nie zuvor begegnet waren. Wir waren gemeinsam bei der Cena libera, und er erzählte von dir.«
    Rebecca sah Vitellius an. Der Blick des Mädchens raubte ihm fast den Verstand. Es war schön wie die trauernde Muse Melpomene, und sein Redefluß geriet ins Stocken. »Dein Vater«, stammelte Vitellius, »läßt dir sagen, er werde dich über den Tod hinaus lieben und du seiest der Stolz seines Lebens gewesen. Ich soll dir auch sagen, daß er ohne Furcht gestorben ist.«
    Für ein paar Augenblicke standen sich die drei in dem düsteren Raum wortlos gegenüber. Vitellius bemühte sich, seine Tränen zurückzuhalten. Rebecca blickte starr und ausdruckslos vor sich hin. Schließlich sagte sie ruhig: »Sei bedankt, Fremder, ich wünschte, wir wären uns aus freudigerem Anlaß begegnet, aber da es die Götter nun einmal so gefügt haben, berichte mir über die letzten Stunden meines Vaters.«
    Der Alte fuhr dazwischen: »Saturns Trauergestirn stand über ihm. Sein Tod war vorgezeichnet, was nützt jetzt langes Lamentieren. Geh an deine Arbeit, Rebecca.«
    Rebecca sah Vitellius hilfesuchend an. Dieser blickte in das strenge Gesicht des Alten, dann sagte er zu dem Mädchen gewandt: »Wir können uns treffen, wenn du dein Tagwerk vollbracht hast«, und zu dem Alten, »da habt Ihr sicher nichts dagegen.« Rebecca empfand das Schweigen ihres Herrn als Zustimmung. »Ich danke Euch«, sagte sie demütig, »dann wollen wir uns vor Einbruch der Dämmerung auf dem Forum Boarium treffen, vor dem Standbild der Pudicitia. Salve.« Sie sprach's und verschwand. Vitellius verabschiedete sich von dem Alten.
    Auf dem Weg zum Forum Boarium begegnete Vitellius einem der zahlreichen Bettelpropheten, die sich mit einem Taubenkäfig in der Hand anboten, den Passanten die Zukunft vorherzusagen. Dabei gingen sie mit gezielter, oft erprobter Raffinesse ans Werk, erkundigten sich nach dem Weg, fragten, ob er etwa ein Verwandter des Sowieso sei – »Nein, diese Ähnlichkeit« – oder traten an ihr Opfer heran mit den Worten: »Ihr werdet noch heute Fortuna begegnen, ich weiß nur noch nicht, wo.«
    Vitellius war schnell überredet. Sein Schicksal, das ungewiß war wie nie zuvor in seinem Leben, machte ihn neugierig. Das Verhältnis der Römer zu ihren Haruspices war gespalten. Cicero hatte einmal gefragt, ob die Zukunftsdeuter und Eingeweideschauer nicht lachen müßten, wenn einer dem anderen begegne. Von Kaiser Tiberius wurde gar eine Verordnung erlassen, wonach Haruspices nur in Begleitung eines Zeugen befragt werden durften. Claudius hingegen war ein gläubiger Anhänger der Zukunftsdeutung, und inzwischen gab es in ganz Rom keinen höheren Beamten mehr, der nicht auf seinen eigenen Haruspex zurückgreifen konnte, wenn es darum ging, eine politische Entscheidung zu treffen. Und auch die römischen Feldherren ließen sich bei ihren Entscheidungen von Eingeweideschauern leiten.
    Vitellius zahlte einen Sesterz. Der Haruspex griff in seinen Käfig, holte ein Täubchen hervor und schnitt ihm mit einem scharfen Messer den Kopf ab. Das Blut spritzte, der Haruspex hielt das kopflose, zuckende Tier in die Höhe, damit es ausblutete. Mit gekonntem Griff rupfte er der Taube an der Bauchseite die Federn aus, schlitzte sie auf und holte mit blutigen Fingern die Innereien hervor, die Exta. Dann setzte er sich auf eine Stufe am Straßenrand, Vitellius blickte mit Ekel, aber auch gespannt auf die blutverschmierten Hände des Wahrsagers.
    »Was siehst du«, fragte er ungeduldig.
    Der Haruspex blickte auf, zögerte eine Weile und sah den Jüngling mit zusammengekniffenen Augen an: »Blut erkenne ich, viel Blut.« Vitellius zuckte zusammen. »Aber es ist nicht dein Blut, es ist das Blut anderer – wenngleich du in naher Zukunft nahe am Tod vorbeigehst. Aber die Hand einer Frau wird dich retten, und du wirst beinahe ein halbes Hundert Lenze zählen.«
    »Keine schlechten Nachrichten«, freute sich Vitellius, »was siehst du noch, mein Alter?«
    Der Wahrsager hielt ein kleines rotbraunes
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