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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls
Autoren: Di Morrissey
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Meilen pro Stunde standhalten konnten. Ebenfalls aus Sicherheitsgründen wohnte der Botschafter jetzt in einem befestigten modernen ›Palast‹, der in einem anderen Stadtteil Georgetowns lag.
    Die solide Bauweise der Botschaft stand im Gegensatz zum Rest der Stadt, die trotz ihrer langen Geschichte auf Matthew reichlich provisorisch wirkte. Nichts war sonderlich hoch gebaut, und die meisten der Betonbauten und Holzgebäude hatten ein nichtssagendes Äußeres. Überall wuchsen Bäume, die in dem schwülen, feuchtwarmen Klima gut gediehen, und Matthew war sich sicher, dass es, falls alle Menschen die Stadt verließen, nicht lange dauern würde, bis die Natur sie wieder in einen sumpfigen Dschungel verwandelt hätte.
    Als bei seinem Rundgang über die Hotelterrasse das Kricketfeld in Sicht kam, blieb Matthew stehen. Der grüne Rasen mit dem Clubhaus war endlich etwas Vertrautes für ihn. Es erinnerte ihn auf überraschende Weise an das Oval in Manly, und er lächelte bei der Erkenntnis, dass ihn zumindest eines mit dieser merkwürdigen und seltsam aussehenden Stadt verbinden würde. Kricket war eine seiner Leidenschaften, und bis zu seinem Einsatz hier war ihm die Existenz Guyanas nur ins Bewusstsein gedrungen, wenn einer der hiesigen Kricketspieler in einem Team der Westindischen Inseln gegen die Australier antrat. Und das war noch etwas Seltsames an diesem Land. Das hier waren nicht die Westindischen Inseln, es war Südamerika. Und trotzdem sprach jeder, dem er bisher begegnet war, dieses singende westindische Englisch, das fast so rhythmisch war wie der Calypso und das laut und klar zum Ausdruck brachte, dass es sich hier um ein karibisches Land handelte.
    Eine Brise brachte eine Mischung aus Geräuschen und Gerüchen von der Straße herauf. Der Verkehr war äußerst hektisch und sehr vom übermäßigen Gebrauch der Hupe bestimmt. Die Fußgänger, die Farben ihrer Haut wie die Farben ihrer Kleider, waren wie die bunte Farbmischung auf der Palette eines Malers, und wenn der Verkehrslärm etwas nachließ, waren Laute in den verschiedensten Akzenten zu hören. Und die Gerüche – Gewürze, Currys, Salz, Luft, tropische Früchte, verschwenderische Blütendüfte und ein leicht abstoßender Geruch nach etwas Feuchtem und Verrottetem.
    Die Straße unter ihm strömte samstagmorgendliche Vitalität aus, und Matthew fühlte sich plötzlich so weit weg, so allein auf seinem bescheidenen Ausguck, dass er das dringende Bedürfnis verspürte, hinunterzugehen und sich in das Gewimmel zu stürzen. Er sah auf die Uhr. Es war fast an der Zeit, sich mit dem örtlichen Vertreter der Guyminco Bauxitmine zu treffen. Mit einem Gefühl der Erleichterung ging Matthew zum Lift, froh, der Hitze und dem Ansturm auf seine Sinne zu entkommen.
     
    Vivian Prashad, geboren und ausgebildet in Georgetown, arbeitete seit acht Jahren für Guyminco. Seine Eltern waren aus Bombay eingewandert, ursprünglich, um auf einer Zuckerrohrplantage zu arbeiten, und hatten allmählich ihre Lebensumstände verbessert. Prashad war stellvertretender Betriebsleiter bei Guyminco, ein ehrgeiziger und hart arbeitender Mann. Darüber hinaus hatte er die Aufgabe, die ausländischen Führungskräfte mit der Stadt und den Vorgängen in der Mine vertraut zu machen. Er öffnete die rückwärtige Autotür für Matthew und setzte sich dann neben den schwarzen Fahrer. »Ich mache eine kleine Rundfahrt mit Ihnen, Mr. Wright, dann zeige ich Ihnen das Haus, dass wir für Sie und Mr. Kevin Blanchard in Georgetown gemietet haben. Mr. Johns wird in Mac Gregor wohnen.«
    »Ist das die Minenstadt?«
    »Ja. Da gab es nichts, bis 1910 ein Schotte mit einem Kanu den Fluss hinauffuhr. Er fand ein erstklassiges Bauxitvorkommen und traf eine sehr günstige Vereinbarung mit einer amerikanischen Beteiligungsfirma. Sie kauften eine Menge Land und begannen 1916 mit dem Abbau.« Prashad schüttelte den Kopf. »Das waren die guten alten Zeiten, jetzt sind sie nicht mehr so gut. Für die Familien der Minenarbeiter ist es sehr schlimm. Die Leute haben Angst, dass die Stadt sterben wird, wenn die Mine zumacht.«
    »Nun, deswegen hat man uns ja beauftragt«, sagte Matthew, bemüht, seiner Stimme Autorität zu verleihen. »Wir hatten schon viel schwierigere Projekte als dieses.«
    »Oh, das höre ich gern«, meinte Prashad begeistert, drehte sich um und lächelte Matthew breit an.
    »Wie groß ist die Minenstadt?«
    »Siebentausend Einwohner. Ziemlich groß aber ganz hübsch. Ich wohne gern in
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