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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene
Autoren: John Grisham
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Begriffen, von denen sie nie gehört hatten, und rügte sie, wenn sie deren Bedeutung nicht kannten. Er studierte die Biografie jedes amerikanischen Präsidenten, prägte sich zahllose Details ein und redete monatelang von nichts anderem. Obwohl er sich seiner Kirche nach und nach entfremdete, kannte er immer noch Dutzende von Bibelversen auswendig, die er häufig zitierte, wenn es ihm einen Vorteil brachte, und noch häufiger, um seine Mitschüler herauszufordern. Gelegentlich ging er seiner Familie und seinen Freunden mit diesen Marotten auf die Nerven.
    Aber Ronnie war ein talentierter Sportler und folglich auf seiner Schule sehr beliebt. In der ersten Highschool-Klasse wurde er zum stellvertretenden Sprecher der Klasse gewählt. Die Mädchen wurden auf ihn aufmerksam. Er gefiel ihnen, sie wollten sich mit ihm treffen, und er war alles andere als schüchtern. Mittlerweile achtete er sehr auf seine äußere Erscheinung und seine Kleidung. Bessere Klamotten, dafür reichte das Budget seiner Eltern nicht, aber er setzte sie hartnäckig unter Druck. Roy begann für sich selbst in Secondhandläden einzukaufen, damit sein Sohn bessere Kleidung tragen konnte.
    Annette hatte geheiratet, lebte aber Weiter in Ada. 1969 eröffnete sie mit ihrer Mutter einen Schönheitssalon namens Beauty Casa, der sich im Erdgeschoss des alten Julienne Hotel befand, mitten in Ada. Sie arbeiteten hart, und bald florierte das Geschäft, zu dem allerdings auch mehrere Callgirls gehörten, die in den oberen Etagen des Hotels ihre Dienste anboten. Diese Damen der Nacht waren in Ada schon seit Jahrzehnten eine Institution und hatten einige Ehen ruiniert. Juanita konnte sie kaum ertragen. Annettes lebenslange Unfähigkeit, ihrem kleinen Bruder einen Wunsch abzuschlagen, zeigte sich auch jetzt wieder. Er zog ihr permanent Geld aus der Tasche, das er für neue Klamotten und Mädchen brauchte. Als er herausfand, dass sie in einem örtlichen Bekleidungsgeschäft ein Kundenkreditkonto hatte, begann er das auszunutzen. Und er dachte nicht daran, billigen Kram zu kaufen. Manchmal fragte er um Erlaubnis, häufiger nicht. Annette ging in die Luft, und sie stritten sich, doch letztlich brachte er sie immer so weit, die Rechnungen zu bezahlen. Sie bewunderte ihn einfach zu sehr, um Nein zu sagen - ihr kleiner Bruder sollte von allem nur das Beste haben. Mitten in einem Streit schaffte eres immer wieder, ihr zu sagen, wie lieb er sie habe. Und es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass dies auch stimmte.
    Sowohl Renee als auch Annette sorgten sich, dass ihr Bruder allmählich zu verwöhnt war und ihre Eltern zu sehr unter Druck setzte. Manchmal wurden sie aggressiv, und einige der Auseinandersetzungen waren sehr heftig - aber letztlich behielt immer Ronnie die Oberhand. Er heulte und entschuldigte sich, brachte dann wieder alle zum Lächeln. Häufig steckten ihm seine Schwestern verstohlen Scheine zu, damit er Dinge kaufen konnte, für die seine Eltern kein Geld hatten. Er konnte egoistisch, fordernd, egozentrisch, kindisch sein - das typische Nesthäkchen. Und dann, ganz plötzlich, dank seiner beeindruckenden Persönlichkeit, fraß ihm die ganze Familie wieder aus der Hand.
    Sie liebten ihn, er liebte sie. Und mochten sie auch noch so schimpfen, so war ihnen doch bewusst, dass er letztlich immer seinen Willen bekommen würde. In jenem Sommer, als Ronnie die neunte Klasse abgeschlossen hatte, planten einige Freunde mit vermögenderen Eltern, an einem Baseball-Trainingslager teilzunehmen, das von einem College in der Nähe veranstaltet wurde. Natürlich wollte auch Ronnie dabei sein, aber seine Eltern konnten das Geld nicht aufbringen. Er beharrte darauf, es sei eine seltene Gelegenheit, seine Spielstärke zu verbessern, und unter Umständen werde sogar ein Coach von einem College auf ihn aufmerksam. Wochenlang redete er von nichts anderem, und wenn die Lage hoffnungslos schien, zog er sich in den Schmollwinkel zurück. Schließlich gab Roy nach und lieh sich das Geld von einer Bank.
    Ronnies nächstes Projekt war der Kauf eines Motorrads, womit Roy und Juanita nicht einverstanden waren. Es folgten die üblichen abschlägigen Antworten und Vorträge und Behauptungen - sie könnten es sich nicht leisten, und ein Motorrad sei ohnehin zu gefährlich. Ronnie verkündete, er werde es selbst bezahlen. Er besorgte sich seinen ersten Job, trug nachmittags Zeitungen aus und sparte jeden Penny. Als er genug Geld für die Anzahlung beisammen hatte, kaufte er das
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