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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition)
Autoren: Sam Hayes
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rauchen?«, fragte sie.
    »Nein, nicht wenn ich nachdenke.« Brody zog sich ein Hemd über, schloss den Gürtel seiner Jeans und ging durch das Zimmer, das ihm bis in den kleinsten Winkel vertraut war. Er stützte sich auf die Rückenlehne eines Sessels. »Die Frage ist«, begann er langsam, »was mache ich jetzt mit ihm?«
    »Schreib die Einleitung, bring die Arbeit raus und gib ihm eine neue auf.« Sie klimperte mit den Autoschlüsseln. »Allerdings wirst du das nie schaffen, wenn du nicht endlich die Zigarette ausmachst.«
    »Wir müssen das jetzt in einem größeren Zusammenhang sehen. Was diese Lösung für die Welt der Mathematik bedeutet.« Brody redete sich in Hitze. »Verdammt, das ist nicht mal Einstein gelungen, Fi.« Er ging mit großen Schritten durchs Zimmer und stieß dabei gegen den Couchtisch. Dann umfasste er Fionas schmale Schultern mit seinen großen dunklen Händen. »Ich korrigiere mich. Es ist kein großer, sondern ein riesiger Zusammenhang. Da saß dieser Junge monatelang in meinem Seminar, ohne den Mund aufzumachen. Aber ich wusste, dass er etwas Besonderes ist.«
    »Nimm’s mir nicht übel, aber ich hätte lieber keine Zigarettenasche auf meinem Kostüm.«
    Brody schwitzte, sei es vor freudiger Erwartung oder weil die Tragweite des Ganzen ihm Angst machte. Nun war er für Ricky verantwortlich. Er war es gewesen, der dem Jungen zusammen mit der Aufgabenstellung die unbewiesene statistische Theorie untergeschoben hatte in der Hoffnung, damit den Ehrgeiz des verschlossenen, schüchternen Einzelgängers zu wecken. »Das wird unser Leben verändern«, sagte er und warf die Kippe zum Fenster hinaus.
    Dann hakte er sich bei Fiona unter und ließ sich von ihr zum Auto führen. Er stieg ein und schnallte sich an. Der Motor brummte, im Radio liefen die Vormittagsnachrichten. Plötzlich hörte er ein Klicken. Fiona hatte das Radio ausgeschaltet.
    »Nun mach schon«, sagte er. »Ich muss da hin und es selbst sehen.«
    Der Motor verstummte. Es herrschte Stille.
    »Was ist denn, Fiona? Fahr mich zur Uni.«
    »Nein«, erwiderte sie schlicht. »Ich will, dass du aus diesem Dreckloch ausziehst.«
    »Was?«, fragte Brody ungläubig. Dann schlug er mit der Faust gegen die Tür. »Fahr endlich los, Fiona. Ich will mit Ricky sprechen, bevor die Geschichte publik wird.«
    »Nein.«
    Brody hörte, wie der Zündschlüssel abgezogen wurde. »Jetzt sei nicht albern, Frau. Dafür bezahle ich dich nicht.«
    »Du bezahlst mich überhaupt nicht. Die Uni zahlt mein Gehalt.«
    »Das kommt doch aufs Gleiche raus.« Natürlich – ohne ihn hätte sie den Job nicht bekommen. »Jetzt fahr los, sonst gehe ich zu Fuß.«
    »Das wirst du wohl müssen, wenn du mir nicht versprichst, dir irgendwo eine andere Wohnung oder ein nettes Häuschen zu suchen.«
    Brody hörte, wie sie scharf einatmete. Offenbar tat es ihr bereits wieder leid, dass sie ihn praktisch aufgefordert hatte zu laufen. Er sagte nichts.
    »Ach Gott, es tut mir leid.« Sie steckte den Schlüssel wieder ins Zündschloss und ließ den Motor an, doch Brody war schon ausgestiegen. Er beugte sich zum offenen Fenster hinunter und sagte: »Schön. Wenn du willst, dass ich laufe, dann laufe ich eben.«
    »Nein … nicht doch. Ich kann einfach nicht mit ansehen, dass du in diesem …«, Fiona zögerte, »… in dieser Wohnung haust.«
    »Dann mach’s wie ich, Schätzchen: Schau nicht hin.« Brody lachte, dann wandte er sich ab und zog einen weißen Teleskopstock aus der Tasche. Er hob den Kopf, witterte einen Moment lang wie ein Jagdhund und drehte sich dann schwungvoll um hundertachtzig Grad.
    Er wusste, dass Fiona ihn beobachtete. Sicher wunderte sie sich, woher er wusste, in welcher Richtung die Universität lag. Damit er nicht überfahren wurde, fuhr sie die ganze Zeit im ersten Gang hinter ihm her.
    Nach einer halben Stunde gab Brody auf und stieg wieder ins Auto.
    »Ich sagte weiß, Martha.« Carrie sprach mit leiser Stimme, was nach Marthas Erfahrung schlimmer war, als wenn sie schrie. »Weiß.« Nicht mehr als ein Flüstern. Sie hatte es wirklich nicht nötig zu schreien.
    Carrie trat auf das glänzende Pedal des Mülleimers und ließ die Schweizer Schokolade hineinfallen.
    »Aber die Schachtel war doch weiß, meine Liebe«, wandte Martha achselzuckend ein.
    »Die Pralinen. Ich wollte welche aus weißer Schokolade, Martha.« Kopfschüttelnd hielt sich Carrie das vibrierende Handy ans Ohr. »Ja, Leah, was gibt’s?« Sie durchquerte die Küche und trat an die
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