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Der Frauenheld

Der Frauenheld

Titel: Der Frauenheld
Autoren: Richard Ford
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ihn gehabt.
    Er starrte auf den Mann in dem hellbraunen Anzug auf der anderen Seite des Wassers, den Mann, der fotografiert wurde. Der Mann stand nun auf der Betonmauer, der flache Teich hinter ihm, er hatte die Beine gespreizt, die Hände auf den Hüften, sein hellbraunes Jackett über den Arm gehängt. Er sah lächerlich aus, nicht überzeugend, was auch immer er überzeugend darstellen sollte. Austin fragte sich, ob er wohl im Hintergrund zu sehen war, eine verschwommene Gestalt in der Ferne, die von der anderen Seite des abgestandenen Teiches herüberstarrte. Vielleicht würde er es irgendwo sehen, in Le Monde oder Figaro , in den Zeitungen, die er nicht lesen konnte. Es würde ein Souvenir sein, über das er zu einem späteren Zeitpunkt lachen könnte, wenn er wo war? Mit wem?
    Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit Josephine Belliard. Etwas an ihr hatte ihn an diesem Nachmittag gestört. Nicht ihre Zurückhaltung beim Küssen. Das war eine Haltung, die man mit der Zeit überwinden konnte. Er war gut darin, die Zurückhaltung bei anderen zu überwinden. Er war ein überzeugender Mann, mit der Seele eines Verkäufers, und er wußte es. Von Zeit zu Zeit störte es ihn sogar, da er das Gefühl hatte, daß er unter den richtigen Umständen jeden von allem überzeugen konnte – ganz gleich, was. Er hatte keine klare Vorstellung davon, was diese Eigenschaft war, aber Barbara hatte sie gelegentlich kommentiert, oft mit einer wenig schmeichelhaften Implikation, die er nicht wirklich akzeptierte. Aber er hatte sich bei dem Gedanken immer unwohl gefühlt, daß sie vielleicht wahr sein könnte oder man sie für wahr halten könnte.
    Er hatte geglaubt, daß er und Josephine eine andere Art von Beziehung haben könnten. Sexuell, aber nicht im eigentlichen Sinne. Eher etwas Neues. Auf der Wirklichkeit gründend – auf den Gegebenheiten seines Charakters und ihres. Während er mit Barbara nur das Ende einer alten Geschichte durchspielte. Weniger wirklich, irgendwie. Weniger reif. Er könnte Josephine nie wirklich lieben; darum durfte es nicht gehen, da er tief in seinem Herzen nur Barbara liebte, was auch immer das wert war. Dennoch hatte er sich einen Augenblick lang von Josephine überwältigt gefühlt, sie anziehend gefunden, hatte sogar an die Möglichkeit gedacht, mit ihr für Monate oder Jahre zusammenzuleben. Alles war möglich.
    Doch als er ihr heute in ihrer Wohnung wieder begegnet war und sie genauso aussah, wie er erwartet hatte, sich genauso verhielt, wie er vorhergesehen hatte, war ihm ganz trostlos zumute gewesen, ein Gefühl, das sich, wie er vermutete, sicher nie ganz verlieren würde, wenn er mit ihr für den Rest des Lebens die Segel setzte. Und er war erfahren genug, um zu wissen, daß, wenn er sich schon am Anfang elend fühlte, er sich später nur noch schlimmer fühlen würde und daß sein Leben auf diese Weise früher oder später zur Hölle würde, wofür dann allein er die Verantwortung trug.
    Diese widerstreitenden Gedanken waren ihm in den letzten Tagen ungeordnet durch den Kopf gegangen. Aber nun, da er hier war, würden sich diese Fragen auf die eine oder andere Weise klären. Er mußte nur aufpassen, daß er keinen Schaden anrichtete, niemanden in unnötiges Chaos stürzte, und alles würde sich klären.
    Sein Daumen schmerzte immer noch leicht. Die Frauen lachten wieder auf dem Tennisplatz jenseits des blühenden Rhododendrongebüschs. Austin konnte sogar ein paar Frauenwaden und Tennisschuhe erkennen, die von einer Seite zur anderen sprangen, als würde jemand einen Ball schlagen, erst Vorhand, dann Rückhand, während die kleinen weißen Füße über den roten Belag tanzten. » Arrête! Stop!« schrie eine Frau und seufzte laut.
    Französinnen, dachte Austin, redeten alle wie Kinder; mit hohen, schnellen, unangenehm aufdringlichen Stimmen, mit denen sie die meiste Zeit » Non, non, non, non, non « auf etwas entgegneten, was jemand von ihnen wollte, einen höchstwahrscheinlich ganz unschuldigen Wunsch. Er hatte es noch im Ohr, wie Josephine eben das sagte, als sie, beim einzigen anderen Mal, daß er sie in ihrem kleinen Appartement besuchte – vor einer Woche –, im Wohnzimmer dastand und mit jemandem telefonierte, das Telefonkabel um ihren Finger wickelnd: » Non, non, non, non, non, non. C’est incroyable. C’est in-croy-a-ble! « Es ging ihm furchtbar auf die Nerven, obwohl es ihn in diesem Augenblick auch amüsierte, daran zu denken – aus der Entfernung.
    Barbara konnte mit
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