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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
Autoren: Michaela Huber
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Verlassenheit, abrupte Verluste, Gewalt, und doch nicht selbst grausam werden? Wie kann es sein, dass ein Kind, dass viele Jahre einem Sadisten ausgesetzt war, nicht selbst sadistisch wird – ein anderes aber doch? Können wir etwas darüber wissen, was Erbe und was Umwelterfahrungen sind, wenn es um zerstörerische Handlungen geht?
    „Was du ererbt von deinen Vätern hast – erwirb es, um es zu besitzen.“ Und dieser Besitz kann froh und glücklich – aber auch unzufrieden und verzweifelt machen. Goethe, der seine vielleicht schönste Zeit in Rom verbrachte und seinen „Faust“, aus dem das Zitat stammt, hier schon durchdachte, hat mit diesem Menschheitsdrama eine Parabel auf den zum Letzten, auch zum Bösen bereiten Sucher der Neuzeit verfasst, der mit den Mythen des Mittelalters versucht, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen – koste es, was es wolle. Im ersten langen Monolog des Faust klingt an: Erweise dich würdig dessen, was dir freundlich vererbt wurde – oder deine Suche wird zu einer Qual. Faust wird sich mit Mephisto einlassen, wird einen Pakt mit seinem persönlichen – gemeint ist: inneren – Gegenspieler wagen, der ihn, die Alltagsperson, von seiner Unzufriedenheit mit dem unzureichend banalen Wissen, von seiner Ruhelosigkeit, seiner ewigen Suche nach dem Besonderen befreien und ihm Erfüllung vermitteln soll. Verfolgt man dieses meistgespielte Stück der Theatergeschichte weiter, so erfährt man: Mephisto verwandelt Faust in einen jungen Mann und bewirkt, dass er sich in das junge Mädchen Gretchen verliebt, sie schwängert, sie verlässt, ihre Mutter vergiftet, ihren Bruder ermordet und sie in den Wahnsinn treibt, bis sie ihr Neugeborenes tötet und hingerichtet wird. So endet der Tragödie erster Teil zunächst. Faust (und mit ihm Goethe) wird erst später seine spirituelle Suche in Faust II fortsetzen, in dem Teil, den bis heute nur wenige Theater spielen. Den ersten Teil hingegen scheinen alle zu mögen und zu verstehen: Hier lässt sich ein Intellektueller mit dem Teufel ein und bringt Unglück über ein einfaches Mädchen. Oder: Ein Mann sucht, wie man heute sagen würde, den „absoluten Kick“, wirft alle Moral über Bord und überlässt sich seinen bösen und geilen Wünschen, ruiniert dabei das Leben eines jungen Mädchens und deren Familie und kommt am Ende ungeschoren davon; Fortsetzung folgt – vielleicht.
    Die Kraft, die stets das Böse will ...
    Interessanter- und für viele rätselhafterweise wird Mephisto – des „Pudels Kern“ – von Goethe beschrieben als „Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“. Wieso das? Es ist ja wahrlich nicht so, dass Faust Gutes schafft durch seinen Pakt mit dem Teufel. Was vielleicht gemeint ist: Wenn es dem Menschen gelingt, seine bösen Seiten kennenzulernen, sie gedanklich durchzuspielen, und sei es zu ihrem schlimmen Ende, dann wird er zu Erkenntnissen gelangen, was von seinen Wünschen sinnvoll und lebbar ist und was nicht. Das ist zugegebenermaßen eine sehr freundliche Deutung dieses Satzes. Gängigere Interpretationen gehen davon aus: Da Gott im Prolog Mephisto erlaubt hat, den Menschen Faust in Versuchung zu führen, sei Mephisto auch nur „ein Geschöpf Gottes“. In beiden Fällen könnte das Faust‘sche Drama auch eine einfache Aussage enthalten: Gut und Böse sind in jedem Menschen vorhanden; den Versuchungen kann man erliegen – mit dramatischen Folgen –, man muss es aber nicht. Selbst Gretchen ist nicht nur Opfer; sie hätte sich gegen Faust entscheiden können. Anfangs wehrt sie sich ja auch: „Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause gehen.“ Auch sie erliegt der Versuchung in Form der – durch Geschenke eingeleiteten – Verführung durch den wiederum von Mephisto angeleiteten Faust.
    Im Goethe-Haus hier in Rom las ich den fahrig hingehauchten Brief eines Mädchens, das sich ein Zeichen der (weiteren) Zuneigung des in eine Reihe von amourösen Abenteuern verstrickten Johann Wolfgang erhoffte und doch fast schon verzweifelt war. Goethe seinerseits war unterdessen unglücklich in eine andere Frau verliebt, versprach wieder einer anderen die Hochzeit – und reiste dann ab nach Weimar, wo er sich in Christiane Vulpius verliebte. Das alles, während er weiter den „Faust“ erdachte. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
    Faust als Weltendrama zeigt, was Menschheitsdrama zu sein scheint: Wenn wir nicht das Gute schaffen, sondern das Böse ausleben, zerstören wir
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