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Der falsche Zeuge

Der falsche Zeuge

Titel: Der falsche Zeuge
Autoren: Stella Blómkvist
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sagt sie und bittet mich ins Wohnzimmer.
    Ich lege meine Aktentasche auf den Sofatisch. Und setze mich in den einen Sessel.
    »Er musste unerwartet den Ministerpräsidenten vertreten, der sich eine Grippe zugezogen hat«, fährt sie fort, »aber ich erwarte ihn in kurzer Zeit.«
    Die dunkle Hose passt gut zur schneeweißen Rüschenbluse und dem bunten Seidenschal, den Jódís um den Hals trägt. Sie hat nie die gleiche Kleidung an. Und sieht immer gleich umwerfend aus.
    Ich lehne den angebotenen Branntwein ab, obwohl ich richtig Lust auf die braune Flüssigkeit habe. Habe den ganzen Tag lang keinen einzigen Tropfen getrunken. Und werde auch erst dann ein Glas anrühren, wenn ich wieder zu Hause bin. Nehme stattdessen gerne einen schwarzen Espresso an.
    »Wir können die Sache schon mal besprechen, während wir warten«, schlägt Jódís vor, als sie sich aufs Sofa mir gegenüber gesetzt hat.
    »In Ordnung«, sage ich.
    »Hast du dich entschieden, den nächsten Schritt zu wagen?«
    »Ich bin immer dafür zu haben, Geld zu scheffeln«, antworte ich vorsichtig. »Aber ich treffe nie wichtige Entscheidungen mit verbundenen Augen. Da musst du schon mehr Karten auf den Tisch legen.«
    Jódís fängt an, mit ihrem sündhaft teuren Goldarmband am rechten Handgelenk zu spielen.
    »Ich kann dir im Vertrauen sagen, dass dich ein sehr lukratives Projekt in den Staaten erwartet«, sagt sie. »Wir sprechen hier über ein Jahreseinkommen in der Höhe von 25 Millionen Kronen, und zusätzlich dazu wirst du noch verschiedene Privilegien haben, wie die kostenlose Nutzung einer Luxusvilla und eines Privatwagens.«
    »Um was für eine Art Projekt handelt es sich?«
    »Deine Aufgabe wäre es vor allen Dingen, Beratung zu gesetzlichen Bestimmungen für wirtschaftliche Investitionen durchzuführen.«
    »Für wen?«
    »Ich darf dir nur dann sagen, um welche Firma es sich handelt, wenn du das Angebot annimmst«, antwortet sie. »Aber diese betreffenden Personen müssen dringend einen isländischen Juristen einstellen. Deswegen musst du dich noch heute Abend entscheiden. Sie wollen, dass du nach dem kommenden Wochenende drüben anfängst.«
    Jódís schenkt mehr Kaffee in die kleinen Tassen ein.
    »Es ist nicht so einfach für mich, alle meine Verpflichtungen hier stehen und liegen zu lassen«, antworte ich.
    »Ich kenne Juristen, die sofort bereit wären, alle Fälle zu übernehmen, die du gerade bearbeitest«, sagt Jódís.
    Ihr freundliches Lächeln erreicht ihre Augen nicht.
    »Du solltest diese glänzende Gelegenheit nicht verpassen«, fügt sie nach längerem Schweigen hinzu. »Du wirst es dein Leben lang bereuen, das kann ich dir versprechen.«
    Soll das vielleicht eine Drohung sein? Hinter dem Lächeln?
    Vielleicht.
    Ich bin ganz offensichtlich auf einem Scheideweg angekommen. Habe nur zwei Möglichkeiten: entweder das Spiel weiterspielen. So tun, als ob ich dazu bereit wäre. Und Namen und weitere Informationen über meinen zukünftigen Arbeitgeber in den USA fordern. Oder der Wahrheit treu bleiben und dankend ablehnen.
    Uff!
    Ich habe keine Lust zu lügen.
    »Das Angebot klingt wirklich ganz schön verlockend«, sage ich. »Aber es ist einfach viel zu kurzfristig. Ich kann meine Klienten nicht im Stich lassen.«
    Das verschmitzte Lächeln verschwindet von Jódís’ Lippen.
    »Ich kann einfach nicht glauben, dass du so eine fantastische Stelle opferst, um diesen unbedeutenden Neonazi zu verteidigen«, sagt sie barsch.
    »Der Mord im Parlament ist sicherlich einer der Fälle, den ich zu Ende führen muss, das ist richtig.«
    »Koste es, was es wolle?«
    »Was meinst du?«
    »Mir ist zugetragen worden, dass du unglaubliche Lügengeschichten über den Minister verbreitest. Du kannst diesen Vorwurf hoffentlich entkräften?«
    »Ich bin nur der Ansicht, dass dein Vater noch ein paar Fragen beantworten sollte, was er an dem Tag gemacht hat, als Salvör starb, das ist alles.«
    »Also ist es wahr, dass du versuchst, dem Minister Salvörs Unfall anzuhängen?«
    »Salvörs Tod war kein Unfall.«
    Jódís sitzt für einen Moment völlig bewegungslos. Sogar die hübsch manikürten Finger haben mit ihrem ständigen Gefriemel an der Goldkette aufgehört.
    Die Stille wird langsam peinlich.
    »Es ist einfach meine Pflicht als Verteidiger, diesem Fall auf den Grund zu gehen«, füge ich hinzu. »Und das werde ich auch tun.«
    »Auch wenn es dazu führt, dass die vorbildliche Karriere eines Politikers vernichtet wird, den das Land jetzt wie nie zuvor
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