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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch
Autoren: Johannes Tralow
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ist mein Recht, das ich niemandem abtreten werde“, sagte er, „für Ihre Bedürfnisse zu sorgen.“
    Er sagte das in einem Ton, als stehe der Rivale schon neben ihm.
    „Ich möchte mich von Mahmud nicht abhängig machen“ - damit räumte Julienne mit größter Selbstverständlichkeit Beschir eine nähere Beziehung zu sich ein als dem Sultan.
    „Ja . ..“, begann daher auch Beschir in wesentlich milderer Stimmung, „es ist so am besten, doch eigentlich ... wissen Sie, Julienne, nach den Worten, die Sie für Mahmud fanden . .."
    „Ach, Sie meinen ,Schwachkopf‘ und ,verbohrt‘?“ „Falsch! Noch verbohrter als ich nannten Sie ihn. Wenigstens unter uns dürfen wir doch wohl ein wenig bei der Wahrheit bleiben.“
    „Beim Genuß der Genauigkeit“, spöttelte Julienne.
    „Allerdings! Genauigkeit. Ich verstehe es nicht, daß Sie unter diesen Umständen in die Verbindung mit Mahmud . . .“
    „Daß ich einwilligte? Finden Sie das so schwer zu erklären? Im christlichen Europa würde ich meinem Stande gemäß auch einen Kavalier haben müssen, entweder neben einem Ehemann oder als Mädchen, um nicht in der Hochzeitsnacht gar zu blöde dazustehen. Ich habe mir diese Kavaliere nun angesehen. Anstatt zu baden und sich zu waschen, kleistern sie ihre Haut mit Puder zu, und ihren schlechten Geruch versuchen sie mit Parfüms zu übertäuben. Die Weiber sind nicht besser. Aber mit ihnen möchte ich auch nicht ins Bett steigen. Auf der andern Seite erwähnen Sie, daß Mahmud Kaiser sei...“
    „Bedeutet Ihnen das etwa nichts?“
    „Es ist einfach wunderbar“, forderte sie ihn durch eine gespielte Begeisterung heraus. „Bedenken Sie: Ein Mann, der nach dem Zeremonial bei erlesener Instrumentalmusik angezogen wird und dessen Unterkleider nur beim Erklingen der dafür vorgesehenen Chorgesänge gewaschen werden! Welche Vorschriften freilich für den Fall bestehen, daß Seine allerhöchste Majestät geruhen sollte, mit einer Dame höchstdero erlauchtes Lager zu teilen - das wird mir wohl ewig verborgen bleiben. Aber kein Mensch kann mir ausreden, daß Mahmud nur gebadet und gewaschen sich mir nähern wird.“
    Beschir runzelte die Brauen.
    „Mehr verlangen Sie nicht?“
    „Mir genügt das.“
    „Aber ihm? Wissen Sie darüber etwas? An gebadeten Damen ist im Harem kein Mangel.“
    „Mahmud ist schüchtern, mein Lieber.“
    „Ich weiß es. Aber Sie, Julienne, sind keineswegs schüchtern. Sind Sie sicher, daß Sie sich nicht an ihn verlieren und, wenn es geschehen sollte, daß Sie dann wieder zu sich zurückfinden würden? Mahmud ist jung und von einnehmendem Äußern.“
    Er war gar nicht mehr unerschütterlich und alles mit Unfehlbarkeit überdenkend. Eifersüchtig war er wie ein Junger ... was sie mit Frohlocken bemerkte.
    „Alle Frauen sind neugierig“, sagte sie obenhin, „glauben Sie, ich sei eine Ausnahme? Sie schildern ihn ja so verlockend, Ihren Schüler Mahmud. Vielleicht habe ich meinen Spaß an ihm. Was geht es Sie an? Sie kennen mich genug, um zu wissen, daß Hautberührungen und Wohlgefallen bei mir kein echtes Zusammenklingen mit einem andern Menschen hervorrufen können. Dazu bedarf es mehr, und Sie sollten sich nicht so erniedrigen, Beschir, zu denken, ich, die ich Ihr Genie kenne, könnte mich an einen Mahmud verlieren. Sie wissen doch, mein Freund, daß ich nichts so fürchte wie Langeweile.“ „Warum verbinden Sie sich dann mit ihm?“
    Jetzt schien ihr der Augenblick da zu sein, ihm, was er nicht sehen wollte, zu zeigen.
    „Es ist unwahrscheinlich und eigentlich auch schön“, stellte sie nicht ohne Rührung fest, „daß ein Mensch wie Sie noch so dumm sein kann. Warum ich mich Mahmud verbinde? Ihretwegen, Beschir! Überlegen Sie doch: Wer würde es entgelten, wenn ich durch meine Weigerung die Hoffnungen Mahmuds und der Walide enttäuschte? An mich könnten sie nicht heran. Entgelten müßten Sie es, und das dürfte einer Schwächung Ihrer Macht gleichkommen, einer Macht, die im Interesse des Reiches nicht stark genug sein kann. Iich schmeichele mir, soviel Verantwortlichkeitsgefühl zu besitzen, um das nicht zuzulassen.“ Sie machte eine ihrer kleinen verschmitzten Pausen. „Und außerdem ist er ja auch gebadet“, schloß sie.
    Natürlich kannte Beschir selbst die etwaigen Folgen einer Weigerung Juliennes, jedenfalls mußte er mit ihnen rechnen. Aber sein Kummer über den Verlust der Freundin war stärker und hatte jeden andern Gedanken verdrängt. Jetzt, auf Juliennes Anruf hin,
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