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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker
Autoren: Monika Feth
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überstürzten sich die Ereignisse. Zwei Freunde waren bei einer Aktion von der Polizei überrascht worden. Wie lange würde es ihnen gelingen, dichtzuhalten?
    Merle wimmelte die Anrufer ab. Die Leitung musste frei bleiben. Für die Polizei. Für Jette. Bitte, dachte Merle, bitte, bitte, lieber Gott, lass Jette anrufen! Lass sie irgendwas vergessen haben und deswegen anrufen, bitte!
    Imke hatte ihr Handy eingeschaltet. »Und wenn Jette bei mir zu Hause anruft?«, fragte sie auf einmal erschrocken. »Daran habe ich überhaupt nicht gedacht.« Sie tippte eine Nummer ein. »Tilo? Hör zu, ich brauche deine Hilfe.«
    Merle ging hinaus, damit Imke in Ruhe telefonieren konnte. Unschlüssig stand sie in ihrem Zimmer. Dann setzte sie sich an den Schreibtisch, stützte die Ellbogen auf und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
    Wenn sie ganz fest an Jette dachte, konnte sie sie vielleicht erreichen. Telepathie war ein längst bewiesenes Phänomen.
    Jette, dachte sie. Jette, hörst du mich?
     
    Es war ein Bilderbuchwald, nicht zu aufgeräumt, aber auch nicht verwahrlost. Der Boden war weich von Tannennadeln und Moos. Durch das Baumdach hoch über uns funkelte das Sonnenlicht.
    »Ist das nicht schön?« Ich lieߟ Gorgs Hand los und rannte ein Stück den gewundenen Weg entlang. Dann warf ich die Arme hoch und stieߟ einen lauten Schrei aus. Er wurde von den Bäumen nach oben gezogen und verschluckt.
    »Wunderschön.« Gorg stand hinter mir und küsste meinen Nacken. »Aber jetzt hör auf zu schreien. Im Wald muss man leise sein.«
    »Muss man?« Ich drehte mich zu ihm um und sah ihm in die Augen. »Wenn man verliebt ist, darf man alles, dann hat man Narrenfreiheit.«
    Er nahm meinen Kopf in beide Hände und küsste mich, wie er es noch nie getan hatte, heftig, leidenschaftlich, wie verzweifelt. Doch dann lieߟ er mich plötzlich los. Er rieb sich das Gesicht, wischte alle Gefühle ab und sagte: »Wolltest du nicht spazieren gehen?«
    In diesem Augenblick mochte ich seine Stimme nicht. Sie klang nicht nach Gorg. Sie klang nach jemandem, den ich nicht kannte.
     
    Tilo hatte alle Termine abgesagt und war in die Mühle gefahren, um dort neben dem Telefon Wache zu halten. Er hatte Imke noch nie so gehört. Ihre Stimme war heiser gewesen vor Angst.
    Er besaߟ schon lange einen Schlüssel zu der Mühle, hatte ihn aber noch nie gebraucht, weil sie immer verabredet gewesen waren, wenn er hergekommen war. Trotzdem hatte dieser Schlüssel eine enorme Bedeutung für ihn.
    Imke hatte ihm ein Buch gewidmet, hatte ihn in ihren Freundeskreis eingeführt, er war sogar Teil ihrer Familie geworden, aber dass sie ihm einen Schlüssel zu ihrem Haus anbot, war das gröߟte Geschenk, das sie ihm machen konnte. Sie hatte ihm damit Zugang zum Innersten ihrer Privatsphäre verschafft und es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, das zu missbrauchen.
    Er spürte wie immer den Frieden dieses Hauses und stellte sich vor, wie es wäre, zusammen mit Imke hier zu leben. Vielleicht war die Zeit dafür reif. Vielleicht sollten sie es wagen. Er schüttelte den Kopf über sich selbst. War er nicht allmählich zu alt für romantische Träumereien?
    Auf dem Tisch im Wintergarten breitete er die Bücher und Papiere aus, die er mitgebracht hatte. Er würde sich die Zeit mit Arbeit verkürzen. Sofern er sich konzentrieren konnte. Er hatte Jette ins Herz geschlossen und mehr Angst um sie, als er je für möglich gehalten hätte.
     
    Irrte er sich oder war sie anders als sonst? Sie kam ihm irgendwie reserviert vor. Wie eine Frau, die man gerade erst kennen gelernt hatte und bei der man noch nicht wusste, wie man sich verhalten sollte.
    Er zog sie an sich und küsste sie noch einmal. Diesmal behielt er die Kontrolle und schaute Jette dabei an. Sie schloss die Augen und erwiderte den Kuss. Alles in Ordnung. Sie war wie immer. Seine Phantasie hatte ihm einen Streich gespielt.
    »Wenn ich ein Spion wäre«, sagte er, legte den Arm um ihre Schultern und schlenderte mit ihr weiter, »wenn ich ein Spion wäre und das Land verlassen müsste, was würdest du tun? Würdest du mit mir gehen?«
    »Bond«, sagte sie theatralisch, »James Bond. Mit der Lizenz zum Töten.« Sie grinste. »Ich wollte immer schon mal in die Südsee. Oder nach Timbuktu. Kein Problem.«
    Er drückte ihre Schulter. »Würdest du oder würdest du nicht?«
    »Wir haben das früher oft gespielt«, sagte sie. »Wenn ich ein Baum wäre, welcher Baum wäre ich? Wenn ich eine Blume wäre. Wenn, wenn,
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