Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
Schlaf, um die Tage durchzustehen. Die Fassade zu wahren. Natürlich hatten die Bullen auch bei den Erdbeerpflückern herumgeschnüffelt. Und sie würden wiederkommen. Sobald sie einen Anhaltspunkt hätten.
    Er drehte sich auf den Rücken und verschränkte die Hände hinterm Kopf.
    Aber sie würden nichts finden.
    Sie würden ihn nicht kriegen.
    Das hatten sie nie geschafft.
    Er lächelte in die Dunkelheit.
    Und war bald darauf eingeschlafen.
     
     

Kapitel 2
    Nach der Schule fuhr ich auf direktem Weg nach Hause. Ich hatte keine Lust, noch mit dem Physikkurs im Eiscafß© herumzuhängen. Auf einmal war mir der Gedanke gekommen, dass ich das Leben vielleicht zu oft an den falschen Stellen gesucht hatte.
    Irgendwie war ich aus der Schulzeit herausgewachsen. Eigentlich hätte ich in diesem Jahr mein Abi gemacht. Ich bereute es inzwischen sehr, in der Elften eine Ehrenrunde gedreht zu haben. Die Stundenpläne, die Klausuren, der Geruch nach Kreide, Schwamm und Schweiߟ, die ewig gleichen Gesichter, das alles ging mir so auf den Wecker, dass mir manchmal danach war, um mich zu schlagen.
    Mir war an den Vormittagen so sterbenslangweilig, dass ich Mühe hatte, nicht vom Stuhl zu fallen.
    Formeln. Zahlen. Gedichte. Floskeln.
    Lärm. Schulhofgewimmel. Schlechte Luft.
    Ich weiߟ nicht, welcher Architekt seinen schlechten Geschmack an unserer Schule ausgetobt hat. Wahrscheinlich einer, der selbst nie Schüler gewesen ist. Der Albtraum aus Glas und Beton war im Sommer ein Brutkasten, im Winter ein Eishaus.
    Man konnte gar nicht schnell genug wieder hinauskommen.
    In einem Stau, dessen Ursache nicht zu erkennen war, verlor ich eine halbe Stunde, bevor ich endlich in die Lessingstraߟe einbog. Ich besitze zwar einen Parkausweis für Anwohner, doch ohne eine freie Lücke ist er wertlos. Zweimal umkreiste ich fluchend den Block, dann machte mir jemand Platz und ich quetschte meinen Renault hinein.
    Im Treppenhaus roch es nach einem abenteuerlichen Gemisch aus Kohl, Kaffee und gebratenem Speck. Ich riss die Fenster der einzelnen Zwischenetagen auf und wusste doch, dass man sie wieder zuschlagen würde, sobald ich die Wohnungstür hinter mir geschlossen hätte.
    Du hast dir dieses Leben ausgesucht, sagte ich mir auf dem Weg nach oben. Du hast es genau so gewollt.
    In der Mühle waren die Zimmer immer angenehm temperiert, im Sommer erfrischend kühl, im Winter kuschelig warm. Keine ausgetretenen Holzstufen, kein abblätternder Putz, keine verdurstenden Zimmerpflanzen auf den Fensterbänken, keine Fahrräder im Hausflur, keine Kinderwagen vor den Türen und keine hastig hingekritzelten Obszönitäten an den Wänden. Vor kurzem war ein neuer Spruch hinzugekommen, der erste, der Klasse hatte und mir gefiel: 
Heilige Jungfrau Maria, die du empfangen hast, ohne zu sündigen, lehre uns sündigen, ohne zu empfangen!
    Jemand hatte versucht, ihn abzuwaschen, doch es war ihm nicht gelungen. Er hatte lediglich die Buchstaben ein wenig verwischt. Irgendwann würde das Treppenhaus gestrichen werden und dann, mit der Zeit, würden sich neue Sprüche ansammeln.
    »Jemand zu Hause?«
    Niemand antwortete, aber das hatte ich auch gar nicht erwartet. Ich brachte die Schultasche in mein Zimmer und ging ins Bad. Die Klobrille war hochgeklappt. Ich bemerkte es gerade noch rechtzeitig, bevor ich mich setzte.
    Merle schleppte häufig irgendwelche Typen an, die sich zu schade waren, im Sitzen zu pinkeln. Sie hatte, was Männer anging, einen ziemlich unterentwickelten Geschmack. Obwohl sie einer der unabhängigsten Menschen war, die ich kannte, betete sie dominante Kerle an. Sie verachtete sich selbst dafür, konnte jedoch nichts dagegen tun. Allerdings hatte ich auch nicht den Eindruck, dass sie sich ernsthaft darum bemühte.
    In letzter Zeit befand sie sich auf dem Weg zur Monogamie. Es war ein dorniger Weg und ab und zu strauchelte sie noch.
    In der Küche herrschte das übliche Chaos. Keine von uns stand morgens früh genug auf, um ohne Hektik das Haus verlassen, geschweige denn, vorher noch Ordnung schaffen zu können. Eigentlich störte mich das nicht, doch es ärgerte mich, dass das Aufräumen meistens an mir hängen blieb, weil ich in der Regel als Erste nach Hause kam.
    Merle hatte einen Nachmittagsjob bei Claudios Pizzaservice, wo sie als Fahrerin oder in der Küche arbeitete, je nachdem, was gerade anfiel. Caro hatte wieder mal Stress mit ihrem Freund Gil und wir kriegten sie kaum noch zu Gesicht.
    Ich hatte Hunger und fühlte mich schlapp,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher