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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker
Autoren: Monika Feth
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aber wenn ich eines hasse, dann Mahlzeiten an einem Tisch mit schmutzigem Geschirr. Also machte ich mich daran, Ordnung zu schaffen.
    Merle bereitete sich morgens meistens ein Müsli zu, für das sie einen Apfel rieb, eine Banane zerquetschte und eine halbe Zitrone ausdrückte. Ich gab die Obstschalen in den Eimer für Biokompost, kratzte verhärtete Apfelfasern aus der Reibe und weichte die Reibe mit der Zitruspresse in heiߟem Wasser ein.
    Caro trank heiߟen Kakao und aߟ Toast mit Schinken, dazu ein weiches Ei. Die Eierschalen lagen zerbröselt neben ihrem Teller, die Brotkrümel zum groߟen Teil auf dem Boden, wo sie unter meinen Schuhsohlen knirschten. Den Kakao hatte sie nicht ganz ausgetrunken. Er hatte eine Haut gebildet, die mich an den Hals meiner Groߟmutter erinnerte, was mir ein schlechtes Gewissen machte, weil ich mich bei meiner Groߟmutter schon lange nicht mehr gemeldet hatte.
    Ich bevorzugte zum Frühstück Tee und finnisches Knäckebrot mit Käse. Weil ich am Morgen fünf wertvolle Minuten an die Suche nach einem verlegten Buch verschwendet hatte, war nicht mehr genug Zeit gewesen, um den Käse wieder in den Kühlschrank zu legen. Die paar Stunden hatten ausgereicht, ihn glasig werden zu lassen und sich am Rand leicht zu wellen. Jetzt taugte er nicht mal mehr zum ߜberbacken. Ich konnte ihn nur noch wegwerfen.
    Zum hundertsten Mal schickte ich ein Dankgebet zum Himmel, weil wir uns nach langen Diskussionen vor einigen Wochen endlich dazu entschlossen hatten, uns eine gebrauchte Geschirrspülmaschine zuzulegen. Sie verschluckte das schmutzige Geschirr, ich musste nur noch mit einem feuchten Tuch über Tisch und Arbeitsfläche fahren und die Küche war wieder einigermaߟen bewohnbar.
    Ich zauberte mir ein Rührei mit Pilzen und Tomaten, brühte mir einen Karamelltee auf und wollte gerade anfangen zu essen, als Caro in die Küche geschlappt kam.
    »Aha«, sagte ich gereizt. »Die Ratten kriechen aus ihren Löchern.«
    Caro sah mich verständnislos an.
    »Leider einen Tick zu spät, um mir beim Aufräumen zu helfen.«
    Caro gähnte. Sie fuhr sich mit gespreizten Fingern durch das struppige Haar. Schlurfte zum Kühlschrank. ߖffnete ihn. Zog einen Jogurt heraus. Nahm sich einen Löffel. Setzte sich zu mir an den Tisch. Alles in Zeitlupentempo.
    Sie trug ihren kürzesten Rock und ein Achselshirt, beides schwarz, darüber die graue Leinenbluse, um die ich sie glühend beneidete, von der sie sich aber nur leihweise trennte und das auch nur ganz selten.
    »Ich hatte Besuch«, sagte sie.
    »Das heiߟt, du warst nicht in der Schule.«
    Caro schwänzte in letzter Zeit ständig den Unterricht. Manchmal kam sie gar nicht erst aus dem Bett. Manchmal machte sie sich auf den Weg und kehrte dann doch wieder um. Es grenzte an ein Wunder, dass man sie noch nicht gefeuert hatte.
    Sie machte ihr Ich-hasse-es-wenn-du-redest-wie-eine-Mutter-Gesicht und begann ihren Jogurt zu löffeln.
    »Besuch?«, fragte ich nach. »Jemand, den ich kenne?«
    »Nö.«
    »Ernste Sache?«
    Sie hob die Schultern.
    Also war wieder mal Schluss mit Gil. Ich schlug das Buch auf, das ich neben den Teller gelegt hatte. Wenn sie nicht reden wollte, gut, ich würde sie nicht dazu zwingen. Ich war sowieso ganz froh, wenn ich meine Ruhe hatte. Der Vormittag war anstrengend gewesen. Sechs lange, öde, verlorene Stunden, die mir keiner zurückgeben würde.
    Caro machte sich an der Espressomaschine zu schaffen, die meine Mutter uns groߟzügig zum Einzug spendiert hatte. »Willst du auch einen?«
    Ich schüttelte den Kopf und zeigte auf meine Teetasse.
    Als Caro sich mit dem Espresso wieder an den Tisch gesetzt hatte und nach der Zuckerdose griff, rutschte ihr ߄rmel hoch und gab den Blick frei auf einen hässlichen roten Streifen an ihrem linken Unterarm.
    »Caro...«
    Rasch schob sie den ߄rmel hinunter.
    Sie hatte sich schon lange nicht mehr selbst verletzt. Wann hatte sie wieder damit angefangen? Und warum?
    »Möchtest du darüber reden?«
    »Nö.«
    »Aber wenn du doch mal...«
    »... dann wende ich mich vertrauensvoll an dich und Merle. Versprochen.«
    Sie schwor uns das immer wieder, doch es kam nie dazu. Man musste sie überraschen, ihren Widerstand überrennen und sie in ein Gespräch ziehen, bevor sie wusste, wie ihr geschah. Das funktionierte nicht immer, aber doch meistens. Jedes Mal erfuhren wir etwas mehr über sie. Und Stein für Stein setzten wir uns das Mosaik Caro zusammen.
    Sie stammte aus einer völlig
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