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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker
Autoren: Monika Feth
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Haare auf den Boden rieselten. Konnte es sein, dass er immer noch Winterfell verlor? Ich setzte ihn wieder ab und er leckte sich die Flanke und stolzierte vor mir her zur Treppe.
    Auch im Innern des Hauses war alles erlesen und kostbar, von kundiger Hand zusammengestellt. Die Sonne warf ihr weiches Nachmittagslicht durch die hohen Fenster der Halle und brachte das Holz der Treppe zum Leuchten. Die Rattansessel auf dem Terrazzoboden weckten Sehnsucht nach Italien, ebenso die karg getünchten weiߟen Wände und die runden, mönchischen Nischen der Fenster.
    Allein die Treppe war ein Kunstwerk für sich. Die Stufen schienen förmlich in der Luft zu schweben. Der Schreiner, der sie gebaut hatte, war dafür bekannt, dass er sich immer für ein Minimum an Material und ein Maximum an Wirkung entschied. Mit Erfolg. Es war übrigens mit allem hier so. Mit jedem Zimmer und jedem Einrichtungsgegenstand. Meine Mutter hatte grundsätzlich das Beste gewählt. Und das Teuerste. Sie konnte es sich leisten.
    Am Ende der Treppe angelangt, durchquerte Edgar schnurstracks die obere Halle. Er wusste, dass mein erster Weg mich stets zu meiner Mutter führte.
    Aus ihrem Zimmer drangen keine Geräusche. Vielleicht war sie eingeschlafen. Vorsichtig öffnete ich die Tür.
    Meine Mutter saߟ an ihrem Schreibtisch vor einem Stapel Papier, die Lesebrille auf der Nase. Sie drehte sich zu mir um und lächelte. »Jette! Wie schön!«
    Meine Mutter ist Schriftstellerin. Krimiautorin, um genau zu sein. Sie schreibt für die schwarze Reihe des Piepenbrink Verlags, und das äuߟerst erfolgreich.
    Seit sie dem, was meine Groߟmutter und ihr Damenzirkel so unter echter Literatur verstehen, den Rücken gekehrt hat, verkaufen sich ihre Bücher wie warme Semmeln. Sie sind inzwischen in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt worden und um die Filmrechte reiߟen sich die Produktionsfirmen.
    »Setz dich einen Augenblick. Bin gleich fertig.«
    Man darf meine Mutter jederzeit und bei allem stören, nur nicht beim Notieren eines Einfalls oder beim Skizzieren einer Idee. Ich hatte mich längst daran gewöhnt und nahm es ihr nicht mehr übel. Früher war das anders gewesen. Es war mir immer so vorgekommen, als wären ihr die Worte wichtiger als ich.
    Edgar war schon auf das Sofa gesprungen und wartete darauf, dass ich mich setzte. Er rollte sich auf meinem Schoߟ zusammen, schloss die Augen, schnurrte und bohrte mir zärtlich die Krallen in den Oberschenkel.
    Ich kann mich noch an das Leben vor dem Erfolg meiner Mutter erinnern. Damals wohnten wir in einem Reihenhaus in Bröhl. Die Vorgärten sahen aus wie gut gepflegte Familiengräber, bepflanzt mit Nadelsträuchern, Rhododendren und einjährigen Pflanzen. Hier und da gluckerte Wasser über sauber gebürstete Quellsteine in ein Seerosenbecken mit einer Hand voll fetter Goldfische.
    Im Souterrain, hinter von Efeu umspielten Fenstern, hatte mein Vater sein Büro. Rechts neben der Haustür hing, etwa in Augenhöhe, ein Messingschild mit der Aufschrift: 
Theo Weingärtner. Steuerberater.
 Das Schild war blank geputzt. Viele Kundinnen meines Vaters überprüften darin ihr Make up, bevor sie auf den Klingelknopf drückten.
    Wir hatten eine Putzhilfe, die zweimal wöchentlich das Haus umkrempelte, und einmal pro Monat kam ein Fensterputzer. Meine Mutter schrieb und schrieb.
    Ihr liebstes Betätigungsfeld neben ihrem Arbeitszimmer im ersten Stock war der Garten, der aussah wie ein Paradebeispiel für eine Hochglanzausgabe von 
Homes & Gardens
, mit genau der richtigen Mischung aus gepflegten und verwilderten Ecken, die bei den Gartenzeitschriften gerade in Mode ist.
    Meine Mutter pflegte ihre Schreibkrisen bei der Gartenarbeit auszukurieren. Vielleicht hätte sie es hin und wieder vorgezogen, ein Problem mit meinem Vater zu besprechen, statt es in der Erde zu verbuddeln oder an Spalieren festzubinden, doch er konnte den Konflikten, die meine Mutter auf dem Papier entstehen lieߟ, und der Sprache, mit der sie das tat, kein Interesse abgewinnen.
    Wenn er über den Beruf meiner Mutter sprach, was selten vorkam, dann bezeichnete er ihn als 
Schreiberei
 und meine Mutter nannte er eine 
Schreiberin
. Er tat das mit einem freundlichen Augenzwinkern, das man ihm nicht glaubte.
Schriftstellerin
 oder 
Autorin
 brachte er nicht über die Lippen, denn das hätte bedeutet, dass er ihren Beruf ernst nahm.
    Sein Verhalten änderte sich auch dann nicht, als meine Mutter in den ersten Talkshows auftauchte und
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