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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm
Autoren: Philip K. Dick
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Teufe – wir haben hier auch Pilze. Experimen-
    telle Pilzkulturen, natürlich hermetisch eingesiegelt –
    jeder, der Zuchtpilze anbaut, muß seine Kulturen einsie-geln –, damit keine krankheitserregenden Sporen herein-geweht werden und die Beete verseuchen. Pilzsporen
    werden nämlich durch den Wind verbreitet. Das stellt ein Risiko für alle Pilzzüchter dar.«
    »Pilze«, sagte Bruce und betrat die dunkle, heiße Hüt-te. Der Manager verfolgte ihn dabei mit seinen Blicken.
    »Ja, Bruce«, sagte er.
    »Ja, Bruce, sagte Bruce.
    »Bruce«, sagte der Manager. »Wach auf.«
    Er stand in dem schalen Dunkel der Hütte, den Koffer immer noch in der Hand, und nickte. »Okay«, sagte er.
    Sie nicken ein, sobald es dunkel ist, dachte der Manager bei sich. Wie Hühner.
    Ein Gemüse unter Gemüsen, dachte er. Ein Pilz unter Pilzen. Und wenn du willst, kannst du sie ernten.
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    Mit einem Ruck schaltete er das elektrische Decken-
    licht an und zeigte dann Bruce, wie es zu bedienen war.
    Bruce schien sich nicht dafür zu interessieren; er hatte jetzt einen flüchtigen Blick der Berge erhascht und stand da, sie unverwandt anstarrend, sich ihrer Existenz zum ersten Mal bewußt.
    »Berge, Bruce, Berge«, sagte der Manager.
    »Berge, Bruce, Berge«, sagte Bruce und starrte nur
    weiter.
    »Hallihallo, Bruce, hallihallo«, sagte der Manager.
    »Hallihallo, Bruce –«
    »Okay, Bruce«, sagte der Manager und schloß die Tür der Hütte hinter sich, wobei er dachte: Ich glaube, ich sollte ihn zu den Möhren stecken. Oder zu den Runkelrüben.
    Irgendwas Einfaches. Etwas, was ihn nicht überfordert.
    Und dort, da in der anderen Hütte, noch ein Gemüse.
    Da hat er wenigstens Gesellschaft. Sie können ihre Leben gemeinsam wegnicken, immer schön im Einklang. Reihen von ihnen. Ganze Morgen.

    *

    Sie drehten ihn so, daß er auf das Feld schauen konnte, und er sah die Weizenähren, die sich wie ausgefranste Schattenrisse gegen den Himmel abhoben. Müllanbau,
    dachte er. Sie unterhalten eine Müllfarm.
    Er beugte sich nieder und sah einen kleinen, blauen Blütenkelch, der dicht über dem Boden wuchs. Und nicht nur einen, sondern viele, auf niedlichen, sich im Wind wiegenden Stengeln. Wie Stoppeln. Spreu.
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    Jetzt, da er sein Gesicht nahe genug heranbringen konnte, um sie auszumachen, sah er, daß es eine Menge dieser Blumen gab. Regelrechte Felder davon, zwischen den hö-
    her aufragenden Reihen von Weizenhalmen. Dazwischen verborgen. Viele Farmer benutzten diese Pflanztechnik: eine Feldfrucht inmitten einer anderen, in konzentrischen Ringen. Auf diese Art, erinnerte er sich, legten auch die Farmer in Mexiko ihre Marijuana-Plantagen an: einge-kreist – umringt – von hohen Gewächsen, so daß die Fe-dérales sie nicht vom Jeep aus entdecken konnten. Aber dann wurden sie eben aus der Luft aufgespürt.
    Und wenn die Fédérales eine solche Hasch-Plantage tief unter sich ausmachten … Sie schossen den Farmer, seine Frau, ihre Kinder und sogar das Vieh mit Maschi-nenpistolen zusammen. Und flogen dann wieder ab. Und ihre Suche vom Hubschrauber aus ging weiter, unterstützt von den Jeeps.
    All die Blumen, so lieblich und klein und blau.
    »Was du da siehst, das ist die Blume der Zukunft«,
    sagte Donald, der Direktor des Neuen Pfades. »Aber für dich ist sie nicht bestimmt.«
    »Warum nicht für mich?« fragte Bruce.
    »Das wäre dann doch zuviel des Guten«, sagte der Direktor. Er kicherte. »Also hoch mit dir und Schluß mit der Anbeterei – das da ist nicht mehr dein Gott, dein Idol, auch wenn es das früher einmal war. Einen Vorschein des Unendlichen – ist es das, was du hier wachsen siehst?
    Deinem Gesichtsausdruck nach könnte man das glatt
    meinen.« Er klopfte Bruce kräftig auf die Schulter. Dann senkte er seine Hand vor Bruces Gesicht und beraubte 461
    die gefrorenen Augen des Anblicks.
    »Weg«, sagte Bruce. »Frühlingsblumen weg.«
    »Nein, du kannst sie einfach nur nicht sehen. Das ist ein philosophisches Problem, das du nicht begreifen würdest. Epistemologie – die Lehre von der Erkenntnis. «
    Bruce sah nur die Innenfläche von Donalds Hand, die das Licht von ihm fernhielt, und er starrte darauf, tausend Jahre lang. Der dunkle Schirm … Er schloß sich um ihn; war von jeher um ihn geschlossen gewesen; würde sich in alle Ewigkeit um ihn schließen, um die toten Augen außerhalb der Zeit, Augen, die nicht wegschauen konnten, und eine Hand, die sich nicht wegbewegen würde.
    Die Zeit blieb stehen, als das Universum
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