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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
Autoren: Linda Holeman
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Straucheln geriet, lehnte ich mich an den Arm des Mannes, um nicht zu stürzen. Dann fühlte ich einen resoluten Druck an den Schultern, und schon saß ich auf einem harten Stuhl. Die Arme vor dem Bauch gekreuzt, beugte ich mich vor und atmete mit geschlossenen Augen tief ein, bis ich spürte, wie das Blut wieder in den Kopf zurückfloss. Als ich den Oberkörper wieder aufrichtete und die Augen öffnete, sah ich, dass wir in dem engen, rauchgeschwängerten Aufenthaltsraum saßen, der gesäumt war von Reihen im Boden verankerter Metallstühle. Er war etwa halb gefüllt mit Passagieren, in denen ich aufgrund ihrer Gesichtszüge und Kleidung Spanier oder Nordafrikaner erkannte, aber auch mit Reisenden, deren physische Merkmale mir keinen Aufschluss über ihre Nationalität gaben. Mein Helfer saß neben mir.
    » Danke, es geht mir schon besser.«
    » Sie sind nicht die Einzige, der der Seegang schwer zusetzt«, sagte er.
    Ich bemerkte, dass um mich herum einige stöhnten, Kinder schrien – offensichtlich waren andere Passagiere ebenfalls seekrank.
    » Also, was den Zug nach Marrakesch betrifft …«, sagte er. » Sie haben recht: Es gibt eine Zugverbindung. Doch sie verläuft nicht von Tanger aus. Sie müssen zuerst nach Fes oder Rabat gelangen und von einer dieser Städte den Zug nehmen. Fes würde ich Ihnen jedoch nicht empfehlen, die Stadt liegt ziemlich abgelegen im Landesinneren. Mit Rabat wären Sie auf der sichereren Seite, obwohl Sie, um dorthin zu gelangen, einen Wagen und Fahrer mieten müssen. Überhaupt, warum beenden Sie Ihre Reise nicht in Rabat, wenn Sie schon nicht in Tanger bleiben und dennoch ein wenig von Marokko sehen wollen?«
    » Nein, das geht nicht, ich muss nach Marrakesch. Ja, nach Marrakesch«, wiederholte ich und befeuchtete meine Lippen, die furchtbar trocken waren. Mit einem Mal hatte ich schrecklichen Durst.
    » Um ehrlich zu sein, würde ich nicht auf den Zug von Rabat nach Marrakesch vertrauen, Miss O’Shea. Wie gesagt, die Verbindung ist alles andere als zuverlässig: Die Gleise verschieben sich ständig oder werden von Kamelen oder diesen grässlichen Nomaden blockiert. Am besten wäre es, Sie nehmen sich für die gesamte Strecke einen Wagen mit Fahrer. Andererseits – diese lausigen Sandpfade, die als Straßen gelten –, na ja, die Franzosen sind stolz auf sie, doch sie führen oft durch abgelegenes Gebiet, und man wird ganz schön durchgerüttelt, bestimmt nicht das, was Sie gewohnt sind.«
    Ich blinzelte und setzte mich gerade hin, bemüht, all diese Einzelheiten zu verarbeiten – allesamt ernüchternd, wie mir dämmerte.
    » Und auch auf den Straßen sind Sie nicht vor Unbill gefeit, bestimmt werden Sie auf die alten Routen ausweichen müssen, im Grunde nichts weiter als Karawanenpisten aus Sand, die für Kamele und Esel gemacht sind, aber gewiss nicht für Automobile. Wie ich sagte, gibt es Städte, die näher an Tanger liegen. Außerdem sollten Sie besser an der Küste bleiben, wegen der kühlen Winde. Der Hochsommer ist im Anzug, und der bedeutet in Marokko unerträgliche Hitze. Wenn Sie also unbedingt Tanger verlassen müssen, würde ich Ihnen raten, in Rabat Station zu machen. Oder meinetwegen auch nach Casablanca weiterzureisen. Die Stadt ist weitaus zivilisierter als …«
    » Vielen Dank für Ihre Informationen«, sagte ich. Er wollte mir ja nur helfen, schließlich hatte er keine Ahnung, warum ich so dringend nach Marrakesch musste.
    » Nichts für ungut, aber wirklich, Miss O’Shea, Marrakesch. Ich nehme an, Sie haben Familie dort. Oder wenigstens Freunde. Niemand reist nach Marrakesch, ohne eine Anlaufstelle zu haben. Außerdem gibt es nur Franzosen dort, müssen Sie wissen. Haben Sie jemanden in Marrakesch?«
    »Ja«, sagte ich und hoffte, überzeugend zu klingen, obwohl ich mir selbst nicht sicher war. Die Antwort würde ich erst bekommen, wenn ich in Marrakesch ankam. Mit einem Mal wollte ich nichts mehr davon hören und auch keine weiteren Fragen beantworten. Statt mich in meinem Vorhaben zu bestärken, auf eigene Faust das westliche Nordafrika zu durchqueren, ließ diese Unterhaltung meine Unsicherheit und Ängste nur noch größer werden.
    » Bitte fühlen Sie sich nicht gezwungen, mir länger Gesellschaft zu leisten. Es geht mir schon wesentlich besser, wirklich. Und nochmals vielen Dank«, sagte ich und versuchte zu lächeln.
    » Na gut«, sagte er und stand auf.
    War das Erleichterung, was ich in seinen Augen sah?, fragte ich mich. Wie musste ich wohl auf
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