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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen
Autoren: Jutta Ahrens
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stopfte es sich in den Mund und beobachtete den Mann im Rollkragenpullover misstrauisch, der sich wieder an das Fenster gesetzt hatte. »Was sollte ich wohl mit schwulen Männern anfangen, kannst du mir das sagen?«
    Monika zuckte die Schultern. »Ich meine ja nur. Weil du malst – manche Maler sind so, glaube ich, und Tänzer sollen auch so sein.«
    »Der beobachtet mich in der Fensterscheibe«, zischte Barbara, ohne auf Monikas Geschwätz zu achten. »Komm, wir gehen!«

6
    Als Monika am späten Nachmittag mit ihrem grünen Porsche in die Dorotheenstraße einbog, setzte leichter Nieselregen ein.
Wie gut, dass ich das Dach nicht abgenommen habe
, dachte sie.
Schade, ein kleiner Spaziergang im Stadtpark hätte mir gut getan.
Wie jedes Mal, wenn sie nach Hause kam, kramte sie im Handschuhfach vergeblich nach der Fernbedienung für die Tiefgarage. Sie fand sie unter dem Beifahrersitz.
    Unten sah sie sofort Joachims roten SL, und ihre Wangen röteten sich. Nach fünf Jahren Ehe war sie immer noch verliebt in ihn. Leider kam Joachim immer sehr spät nach Hause, und auch an den Wochenenden nahm ihn seine Arbeit oft in Anspruch. Monika verstand das, Joachim hatte einen wichtigen Beruf, er kümmerte sich um Atomsachen, Strahlungen und so. Wie gefährlich das war, konnte man in der Zeitung lesen. Eigentlich war Monika gegen Kernkraftwerke, aber Joachim machte sie wenigstens sicherer.
    Trotz allem Verständnis für seine Arbeit nisteten in ihr ein leiser Groll und der Hauch eines Misstrauens. Beides wollte sie nicht nach oben steigen lassen, deshalb vermied sie es, über ihre Ehe zu sprechen.
    Als sie ins Treppenhaus kam, fing sie an zu frösteln. Im Sommer, wenn nicht geheizt wurde, war der Marmor etwas kühl. Da bereits der Spaziergang ins Wasser gefallen war, beschloss sie, heute die Treppe zu nehmen. Wie immer, wenn sie zu Fuß ging, fiel ihr auf, wie schön das Licht durch die Bogenfenster fiel, die auf jeder Etage eingelassen waren und geheimnisvolle Schatten auf den Marmor warfen. Mit den großen Pflanzen sah das Treppenhaus sehr edel aus.
    So edel wie der Preis, den wir dafür bezahlen
, dachte sie. Schon auf den letzten Stufen hörte sie den Bolero von Ravel. Ein sicheres Zeichen dafür, dass Joachim gute Laune hatte. Als Monika in die Wohnstube trat, sah sie ihn und die Katze Penelope einträchtig auf dem Ledersofa sitzen, Joachim hingebungsvoll lauschend, Wein trinkend, während Penelopes Schwanzspitze nervös zuckte, allerdings besänftigt durch Joachims Kraulen zwischen ihren Ohren. Sie machte ihr selbstzufriedenes Katzengesicht und rührte sich auch nicht, als Monika ins Zimmer trat.
    Joachims entrückte Miene wandelte sich zu einem entgegenkommenden Lächeln. Monika beugte sich zu ihm hinab und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Schön, dass du schon zu Hause bist.« Sie stupste Penelope in die Seite, die Katze grunzte ein knappes Willkommen und verharrte dann wieder schnurrend mit sattem Pokerface.
    Monika zog ihre Jacke aus, warf sie über einen Stuhl und kuschelte sich neben Joachim auf das Sofa. Der Bolero war in seine letzte, stürmische Phase getreten. Gemeinsam warteten sie, bis er ausklang.
    Joachim schenkte Monika ein. »Hattest du einen netten Tag?«
    »Ich war mit einer Freundin essen. Und du? Wieso bist du schon so früh zu Hause?«
    Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. »Überraschung!«
    »Hoffentlich eine Gute.« Sie tranken sich zu. Monika hoffte inbrünstig, dass es keine von Joachims merkwürdigen Überraschungen war – ein sterbenslangweiliger Physikerkollege zum Abendessen oder eine Einladung seiner merkwürdigen Mutter nach Bad Pyrmont.
    Joachim gab ihr einen Nasenstüber. »Neugierig?«
    Monika spürte es, dass der Abend mit Joachim im Bett enden würde. Enden musste! Sie lächelte. »Ja, und wie.« Sie küsste ihn hinter dem Ohr. »Ich halte es nicht mehr aus.«
    »Was hältst du nicht mehr aus, hm?«
    Penelope wurde es zu ungemütlich. Beleidigt sprang sie vom Sofa.
    »Beides«, hauchte Monika.
    Joachim machte sich aus ihrer Umarmung los, angeblich, um eine neue Flasche zu öffnen. »Ich wollte dich heute Abend zum Essen einladen, ins ›Boccaccio‹, was meinst du?«
    Essen gehen? Das hatte sie heute schon gehabt. Monika hätte das Eisen lieber geschmiedet, solange es heiß war. Und sie hoffte, es war heiß, obwohl Joachim es verstand, sich ihrer Umarmung durch geschäftiges Hantieren mit der neuen Weinflasche zu entziehen. »Finde ich wunderbar«, gab sie sich
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